Erich Wolfgang Korngold/ Carl Nielsen

Violin Concerto in D major op. 35/ Violin Concerto

Jiyoon Lee (Violine), Odense Symphony Orchestra, Ltg. Kristiina Poska

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Orchid Classics ORC 100079
erschienen in: das Orchester 02/2019 , Seite 67

Dass bei Erich Wolfgang Korngold die Grenzen zwischen Filmmusik und „kunstmusikalischem“ Œuvre fließend sind, könnte sich nirgends besser offenbaren als im Violinkonzert D-Dur op. 35. Das 1945 im Auftrag des Geigers Bronislav Hubermann konzipierte, zwei Jahre später von Jascha Heifetz in St. Louis uraufgeführte Konzert verwendet in allen Sätzen Themen, die Korngold im Exil als einer der prominentesten Filmkomponisten Hollywoods für diverse Produktionen Ende der 1930er Jahre schrieb: Melodien aus Another Dawn (1937), Juarez (1939), Anthony Adverse (1936) und The Prince and the Pauper (1937) sorgen für den emotionalen Kitt eines traditionell dreisätzigen Konzerts, bei dem selbstredend die Violine ganz im Mittelpunkt steht. Fülle des Wohllauts und nostalgische Süße gleich in den ersten Takten des „Moderato nobile“, die im zentralen „Romance – Andante“ ihren Höhepunkt erreichen.
Jiyoon Lee trägt jedoch genug Sorge dafür, dass das cineastische Sentiment losgelöst vom bewegten Bild nicht in Gefilde puren Kitsches abdriftet. Ihr Spiel ist hochsensibel, dynamisch reich differenziert, auch in schnelleren Partien eher lyrisch als vordergründig virtuos, seelenvoll, aber nie zu dick aufgetragen. Gleichzeitig verleiht sie den Kadenzen eine eckige Expressivität und rhythmische Schärfe, die Korngolds Konzert lebendig hält und das abschließende „Rondo. Allegro scherzando“ zum überdreht schmissigen Kehraus macht.
Auch im Violinkonzert (1912) von Carl Nielsen finden sich romantische (aber auch barocke) Töne neoklassizistisch assimiliert, vor allem aber ist sein formal eigenwilliges Werk, das zwei schnellen Sätzen raumgreifende langsame Einleitungen voranstellt, stark folkloristisch inspiriert. Der Kopfsatz „Prelude. Largo – Allegro cavalleresco“ entwickelt in zwanzig kontrastiven Minuten geradezu sinfonische Dimensionen, was mit einem verstiegen expressiven Monolog beginnt, der dem wiegenliedhaft schlichten ersten Thema des Largo voransteht. Auch das verspielte Allegro atmet tänzerische Folkloristik im Wechsel mit getragenen Partien.
Jiyoon Lee findet eine optimale Mischung zwischen lyrischer Tongebung und rhythmischer Energie, auch in heiklen Lagen und Registerwechseln minutiös differenziert und durchsichtig. Im „Rondo. Allegretto scherzando“ vermischen sich ebenfalls Folklore, sinfonische Gestik und Bach-inspirierte Solo-Kadenzen zu einer bunten Promenadenmischung, wo Lee die derbe Tanzboden-Fidel ebenso parat hat wie barocke Ornamentik und Scheinpolyfonie.
Das dänische Odense Symphony Orchestra agiert dazu unter Dirigentin Kristiina Poska als uneitler, aber stets aufmerksamer und pointierter Gesprächspartner.
Dirk Wieschollek

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