Trios von Gabriel Fauré, Maurice Ravel und Germaine Tailleferre
Trio Karénine
Nicht nur im echten Leben, auch in der Musik gelten die Franzosen als Romantiker. Die hier zu hörenden sind (Spät-)Romantiker alle drei, Franzosen alle drei, alle drei dem 20. Jahrhundert angehörend (was nicht einfach bei der Interpretation ist), alle drei aber so unterschiedlich und doch vereint durch ihre Ausdruckstiefe, ihre Innerlichkeit, die sich abwechselt mit Expressivität, Feinsinn, Aggressivität. Eigenschaften, die auch das Schicksal von Anna Karenina prägen, der Namensgeberin des Trios. Dieses Schicksal nehmen sich die drei Musiker sehr zu Herzen – Kareninas Unglück, ihren Konflikt zwischen Familie, Gesellschaft und Liebe, sämtlich große emotionale Themen.
Die Interpreten – Fanny Robilliard an der Geige, Louis Rodde am Cello und Paloma Kouider am Klavier – haben ihre musikalische Ausbildung zumindest teilweise in Frankreich absolviert und sind sich beeindruckend einig, wie diese Eigenarten, Gemeinsamkeiten, Verschiedenheiten darzubieten sind.
Sie selbst bezeichnen Faurés Klaviertrio von 1923 als „lyrisch“ – wohl wahr. Aber fast besser als die lyrische Seite bringen sie die verborgenen dramatischen Momente zum Klingen. In einer beinahe bedrückenden Dichtigkeit der Tongebung gehen die Instrumente aufeinander zu, verschmelzen gar in Harmonien wie in Dissonanzen, in den himmelwärts drängenden Läufen des Allegro vivo, in der reichhaltigen Harmonik, den subtilen Modulationen, der wunderbaren Melodik.
Flirrend, flatternd kommt das Modéré in Ravels a-Moll-Trio daher, unbändig getrillert sein Finale. Ohne die anderen interpretatorischen Ansätze und Einfälle schmälern zu wollen: Einer der beeindruckendsten Ohren-Blicke ist sicherlich der Beginn der Passacaille von Ravel.
Schön, dass hier mit Germaine Tailleferre eine Komponistin zu Gehör gebracht wird. So viele Werke für diverse Besetzungen hat sie geschrieben, die leider kaum bekannt sind. Tailleferres Klaviertrio: ein ungewöhnlich kurzes, nicht minder bewegendes und anspruchsvolles Stück, 1978 fertiggestellt und damit ein spätes, dessen weit zurückliegende Anfänge das Trio Karénine impressionismusgetreu wiedergibt. Am Ende lassen die Interpreten die Hörenden – beabsichtigt – ein wenig ratlos zurück.
Über die Vielzahl von Glissandi in dieser Aufnahme mag man diskutieren, zumindest jedoch bekräftigen auch sie den Ruf der Franzosen als Romantiker. Ein wenig jugendlicher Leichtsinn, der wenige Ruhephasen zulässt, schadet dem musikalischen Tiefgang nicht. Seit seiner Gründung 2009 in Paris ist das Trio Karénine häufiger hier und da zu Gast, hat diverse Preise gewonnen und einiges von Schumann eingespielt und überzeugt auch hier wieder mit seiner Lebendigkeit, seinem beinahe überbordenden Temperament, seiner mutigen, zupackenden Spielweise, die man gerne nicht „nur“ hören, sondern auch in „Ohren-Blicken“ erleben möchte.
Carola Keßler