Werke von William Walton, Ina Boyle und Edward Elgar

Cello Abbey

Nadège Rochat (Violoncello), Staatskapelle Weimar, Ltg. Paul Meyer

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Ars Produktion
erschienen in: das Orchester 11/2017 , Seite 64

gestattet. Womit zugleich gesagt ist, dass der Verfasser dieser Zeilen sich nicht angesprochen fühlte von Aufmachung und Booklet-Lektüre der CD. Das Hörerlebnis hingegen entschädigte voll und ganz.
Die 1991 in Genf geborene Cellistin Nadège Rochat studierte zunächst in ihrer Heimatstadt, später in Köln bei Maria Kliegel (deren saucenartiges Vibrato keine bleibenden Schäden im Spiel ihrer Schülerin hinterlassen hat) und bei Robert Cohen an der Royal Academy in London. Wettbewerbserfolge, u.a. beim Bundeswettbewerb „Jugend musiziert“, markieren ihre Laufbahn. Sie konzertierte im Wiener Musikvereinssaal, in der Tonhalle Zürich, in Berlin und St. Petersburg, arbeitete mit Orchestern wie der Weimarer Staatskapelle und dem NDR Sinfonieorchester Hamburg, entwickelte mit dem Gitarristen Raphael Aguirre ein Duo-Projekt und war Stipendiatin der Studienstiftung des Deutschen Volkes.
Auf der Suche nach einem Mot­to für die vorliegende Produktion ließ sich Rochat von der Kultserie Downton Abbey inspirieren. Dies und vieles mehr teilt die junge Solistin im ausladenden Booklet-Interview mit. Hier wäre, wie angedeutet, eine Gewichtsverschiebung zugunsten schlichter Fakten kein Fehler gewesen. Außerdem liegt sie falsch, wenn sie vermutet, es gehe beim Be­griff „Abbey“ nicht um eine Abtei, sondern „um die englischen Herrenhäuser, […] in denen so viel Unerwartetes geschieht“. Um Lokalkolorit bemüht sich die Fotoserie: die Solistin auf bemoostem Waldboden (dort hält der Stachel sicher gut), die Solistin im Kornfeld … nun ja!
Dahinter steckt eine exzellente Cellistin, die über stupende technische Fähigkeiten, einen gleichermaßen schlanken wie beseelten Ton und eine ausgeprägte Affinität zur Musik aus britischen Gefilden verfügt. Die Lyrismen im Kopfsatz des selten zu hörenden Cellokonzerts von William Walton überzeugen ebenso wie die virtuosen Blitzlichter des 2. Satzes und die kontrastreichen Landschaften des abschließenden Variationensatzes.
Großen Anteil hieran wie auch an der meisterlichen Einspielung des Cellokonzerts von Edward Elgar hat die Staatskapelle Weimar unter Leitung des als Klarinettist zu Weltruhm gelangten Elsässers Paul Meyer. So kammermusikalisch ziseliert, mit so feinen Abstufungen in Dynamik und Agogik, so meilenweit entfernt vom gewohnten Breitband-Sound hat man Elgars Werk von solistischer wie orchestraler Seite selten – oder sagen wir mutig: noch nie! – gehört.
Eingebettet zwischen beide Konzerte hören wir, als Weltersteinspielung, die 1913 entstandene Elegy der irischen Komponistin Ina Boyle (1889-1967). Wir erfahren, dass Ina Boyle zurückgezogen gelebt und wenig veröffentlicht hat, und wir hören eine in der Tat introvertierte Musik, die sich vor allem durch Atmosphärereichtum und filigranes Stimmengeflecht auszeichnet. Nadège Rochat „freut sich“ darauf, bald weitere Werke von Ina Boyle aufzunehmen – freuen wir uns mit!
Gerhard Anders

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