Carl Philipp Emanuel Bach Bach
4 Symphonies Wq 183 / 6 Sonatas Wq 184
Ensemble Resonanz, Ltg. Riccardo Minasi
Erst 1997 wurde eine kritische Gesamtausgabe der Werke von Carl Philipp Emanuel Bach (1714-1788) begonnen. Durch diesen Forschungsschub befreite man den zu Lebzeiten berühmtesten der Söhne Johann Sebastian Bachs vom abwertenden Image des Vorklassikers und erkennt in ihm seitdem die starke, individuelle Musikerpersönlichkeit.
Die Sinfonien Wq 183 und die kleinen Sonaten Wq 184 entstanden in Hamburg, seiner letzten entscheidenden Station als Musikdirektor und Kantor am Johanneum in der Nachfolge von Georg Philipp Telemann. In den dreisätzigen Werken jede der vier Sinfonien dauert etwa zehn Minuten ist das Urschema der italienischen Ouvertüre erkennbar. Der Einsatz von Klarinetten und Hörner weist durch eigenständige Stimmführung, nicht länger zur Verdoppelung der Streicherstimmen, in die Zukunft. Dadurch entsteht ein starker Kontrast zu den in der Trackfolge zwischengelagerten Sätzen aus den Bläsersonaten, die Ilja Stephan im Booklet vorsichtig Fingerübung und Vorbereitung für die Orchestersinfonien nennt: Einige der Sonaten, aus denen je ein Satz eingespielt wurde, sind Arrangements früherer Werke.
In der durch die abwechselnde Reihung entstehenden Kontrastwirkung gelangt der Klang der Orchestersinfonien zur vollen Entfaltung und es wird noch deutlicher, wie sich nach 1770 allmählich Kammerklang und großer Klang in der Instrumentalmusik mehr und mehr unterschieden. Durchweg fordert Riccardo Minasi den starken und dabei durchsichtigen Gesamtklang, der sich durch dynamische Schattierungsfreude auszeichnet. Dabei wahrt er eine Balance, in der er die spezifischen Harmonien und Satztechniken des Komponisten nicht als bemerkenswerte Exklusivität herauszieht, sondern im Fluss des Spiels hält. Die Einspielungen zeichnen sich durch ein starkes Empfinden für die Stilistik der Werke des fortgeschrittenen 18. Jahrhunderts aus.
Der Aufbruch in eine neue Zeit der Seelenerfahrungskunde, Werther-Fieber und Empfindsamkeit im Booklet umfangreich dargestellt bildet sich hier noch nicht ab. Es ist Musik für eine im heutigen Verständnis urbane Gesellschaft. Und Minasi tut sehr gut daran, diesen repräsentativen Glanz in allen Stimmungen und bei aller Beweglichkeit zu kultivieren. Die musikalischen Perioden zeigen glitzernden Fluss, und immer wieder ist die Geschmeidigkeit des Ensemble Resonanz bemerkenswert. Etwa wenn bei schnellen Tempi Streicherakkorde abwechselnd im Forte und Piano kommen, lupenrein abgestuft und mit sehniger Klarheit. Dieser Klang nimmt gefangen. Die Zeiten tönender Philosophien sind hier noch nicht in Sicht, auch das zeigt diese mit Akribie und Affinität konstruierte Kunst der Oberfläche.
Roland H. Dippel