Schlößler, Tom
Preispolitik für Theater
Strategische Preisgestaltung zwischen Einnahmesteigerung und öffentlichem Auftrag
Was darf eine Theater- oder Konzertkarte kosten? Auf den ersten Blick eine simple Frage. Doch bei näherer Betrachtung werden die Dinge schnell komplex. Müsste sich ein deutsches Stadttheater ausschließlich aus Eigeneinnahmen finanzieren, würden die Kartenpreise wohl bei 300 bis 400 Euro liegen. Pro Karte. Das könnten sich nur noch wenige wohlhabende Menschen leisten. Um der gesamten Bevölkerung in Deutschland einen niedrigschwelligen Zugang zu Kunst und Kultur zu ermöglichen, werden Orchester, Theater und andere Kultureinrichtungen überwiegend öffentlich finanziert. Kartenpreise sind für jeden erschwinglich und orientieren sich in den billigsten Kategorien häufig an Kosten einer normalen Kinokarte. Trotz öffentlicher Finanzierung spielen die Einnahmen aus dem Kartenverkauf eine zunehmende Rolle, auch wenn sie im deutschen Durchschnitt nur rund 18 Prozent zur Gesamtfinanzierung von Orchestern und Theatern beitragen.
Aber nach welchen Kriterien werden Ticketpreise eigentlich festgelegt? Strategische, datenbasierte Marketingentscheidungen oder Bauchgefühl von Intendant und Verwaltungsdirektor? Dürfen die das eigentlich allein entscheiden oder ist das Gesellschaftern oder Stadtrat zugeordnet? Tom Schößler bringt Licht ins Dunkel. Zunächst beschreibt er Ziele, Methoden und Aufbau seiner Untersuchung, um dann die kulturpolitischen Rahmenbedingungen, die Besonderheiten der öffentlichen Orchester- und Theaterfinanzierung und im Verhältnis hierzu die Erzielung von Eigeneinnahmen einzuordnen. Im dritten Kapitel geht es um Preisstrategien und -systeme im öffentlichen Theater. In diesem Zusammenhang werden auch die Bedeutung des Abonnements und von Besucherorganisationen erläutert. Schößler fragt auch, ob und inwieweit einzelne Elemente des Dynamic Pricing, wie man es beispielsweise von Fluggesellschaften abhängig von der Buchungslage und der Zeitspanne zwischen Buchung und Flug kennt, im Kulturbereich anwendbar erscheinen. Eine Alternative ist es auf jeden Fall. Durch eine traditionell relativ statische Preisgestaltung werden vorhandene Einnahmepotenziale bei erfolgreichen Produktionen mit sehr hoher Publikumsnachfrage in der Regel nicht erschlossen. Hier bietet Schößler Denkanstöße, die Preisgestaltung zu flexibilisieren.
Um seine Überlegungen und Thesen zu verifizieren, hat Schößler statistische Datenanalysen vorgenommen und Experteninterviews geführt. Deutlich wird, dass die Experimentierfreude bei der Preisgestaltung in der Praxis der Kulturbetriebe noch sehr eingeschränkt ist. Die großen Musiktheater und Konzerthäuser scheinen hier schon weiter zu sein als das durchschnittliche Stadttheater. In der Zusammenfassung wird deutlich, dass Theater und Orchester noch ungenutzte Potenziale bei Gestaltung der Preispolitik haben, aber auch durch äußere Rahmenbedingungen (Ämterstruktur eines Regiebetriebs, Gebührenordnung etc.) an Optimierungen gehindert werden. Fazit: Ein lesenswertes Buch für jeden, der in Kulturverwaltung oder Kulturbetrieb mit Fragen der Preispolitik befasst ist.
Gerald Mertens