Robert Schumann
Symphonies No. 4 & 2 / Genoveva-Overture
Cappella Aquileia, Ltg. Marcus Bosch
Schumann klingt jetzt wieder herrlich transparent und klar. Romantisch und gewichtig freilich, aber niemals schwer. So lässt sich in etwa das Klangbild umschreiben, das die Cappella Aquileia aus dem baden- württembergischen Heidenheim für ihre CD-Einspielung mit der vierten und zweiten Sinfonie plus Genoveva-Ouvertüre entworfen hat. Unter Leitung seines Mitgründers Marcus Bosch ist dem Orchester eine rundum schöne und stimmige Interpretation gelungen. Die Musiker nähern sich der Sinfonik Schumanns in einer kleineren Besetzung, als wir es von vielen heutigen sinfonischen Orchestern gewohnt sind. Musiziert wird beispielsweise mit nur acht ersten Geigen. Ein prägnantes Klangbild entsteht, insbesondere im lebhaften Teil des ersten Satzes der vierten Sinfonie, beispielsweise wenn die Streicher durch Tremolo und Tondopplungen energischer und dramatischer wirken sollen. Entsprechend federnder hört sich das Scherzo an.
Die Heidenheimer Cappella Aquileia ist nicht groß, zu ihrem Stamm zählen 55 Musiker. Marcus Bosch, in Heidenheim aufgewachsen, hat das Ensemble seit 2011 als Festivalorchester der Opernfestspiele Heidenheim aufgebaut. Bosch ist ansonsten in Nürnberg GMD, in Konstanz ist er seit dieser Spielzeit erster Gastdirigent der Südwestdeutschen Philharmonie. Dass sein Herz für Heidenheim schlägt, beweist er jeden Sommer als künstlerischer Direktor der dortigen Opernfestspiele, wo mit stetig wachsendem Erfolg auch die Cappella Aquileia zum Einsatz kommt, derzeit mit Aufführungen der frühen Verdi-Opern. Die Mitglieder der Cappella setzen sich nach Bayreuther Vorbild aus vielen renommierten Ensembles zusammen, vorrangig aus Deutschland, aber auch international. Dass sie mehr als einmal jährlich Oper wollen und können, beweisen sie mit ihrem Schumann, der in Meisterkonzerten vor Ort aufgeführt wird. Geplant sind weitere Einspielungen, die erste und die dritte Rheinische Sinfonie sollen folgen. Die kammermusikalische Größe des Ensembles
ist dabei kein Manko, sondern ermöglicht eine Art Rückbesinnung.
Denn Schumanns Sinfonien wurden unter Felix Mendelssohn Bartholdy in Leipzig uraufgeführt. Zu jener Zeit zählte das Gewandhausorchester etwa 58 Musiker, was in etwa der Größenordnung unter Marcus Boschs Leitung gleichkommt. Nach eigenen Angaben orientiert sich die Cappella Aquileia in Artikulation, Phrasierung oder Vibrato an der Praxis der frühen 1840er Jahre. In dieser Zeit komponierte Schumann die beiden Werke, wobei die Vierte erst später publiziert wurde, weil Schumann sie nochmals überarbeitete. In den darauffolgenden Dekaden des 19. Jahrhunderts entwickelte sich allgemein der Orchesterklang zu mehr Volumen hin. Ob Schumanns Vierte und Zweite im Original nun so wie auf der CD geklungen haben mögen, diese Frage ist kulturgeschichtlich natürlich naiv. Dass man aber großartige musikalische Antworten erhält, wenn man naive Fragen trotzdem sehr ernst nimmt, das beweisen Bosch und die Cappella Aqulileia.
Sven Scherz-Schade