Klaviertrios von Peter Tschaikowsky, Sergei rachmaninow und Alexander Goldenweiser
À la mémoire d’un grand artiste
Michael Schäfer (Klavier), Ilona Then-Bergh (Violine), Wen-Sinn Yang (Violoncello)
Die Originalität und Entdeckerfreude des kleinen, aber engagierten Labels Genuin überrascht immer wieder. Jetzt liegt in dessen mittlerweile mehrfach preisgekrönter Reihe Unerhört eine Dedikationskette vor, die einige Überraschungen enthält. À la mémoire dun grand artiste ist diese Doppel-CD betitelt. Aber wer ist der große Künstler, dem die Zueignung gilt?
Nun, als Begründer dieser Widmungs-Genealogie zeichnet Peter Tschaikowsky verantwortlich, der mit seinem leidenschaftlichen Klaviertrio op. 50 den verstorbenen Lehrer und Freund Nikolaj Rubinstein ( 1881) ehrt. Als Tschaikowsky stirbt ( 1893), ist es Rachmaninow, der ihm den Gedenkstein in Gestalt eines Klaviertrios setzt. Rachmaninow wiederum wird nach seinem Tod ( 1943) auf dieselbe Weise von seinem Freund Alexander Goldenweiser geehrt, der ansonsten eher als Pianist denn als Komponist Ruhm erlangte. Ob es in dieser Tradition auch schon ein Goldenweiser ( 1961) gewidmetes Opus gibt, ist nicht überliefert.
Formal sind alle drei Werke nach dem gleichen Muster aufgebaut: Einem monumentalen Kopfsatz, der in allen Fällen moderato überschrieben ist, folgt eine Anzahl mehr oder weniger kurzer, in einem Satz gebündelter Variationen. Alle drei Trios sind, ihrem Anlass entsprechend, in einer elegischen Grundstimmung gehalten, wobei das umfangreiche Tschaikowsky-Werk den großen Sinfoniker nicht verleugnen kann. Eine Besonderheit sticht bei Rachmaninows Trio élégiaque heraus: In der (selten so aufgeführten) Erstfassung des zweiten Satzes aus dem Jahr 1894 verwendet er anstelle des Klaviers ein Harmonium (Solist hier: Kang-Un Kim), was die bedrückte Grundstimmung nur unterstreicht. In der überarbeiteten Version von 1907 hat das Klavier dessen Platz eingenommen, obwohl uns heute die Harmonium-Version um ein Vielfaches ergreifender erscheint.
Bemerkenswert ist, dass die drei Werke in dieser chronologischen Reihung in a-Moll, d-Moll und e-Moll gehalten sind. Was in der mitteleuropäischen Tonartennota-
tion passenderweise ade ergibt. Ein Zufall? Oder hat sich Goldenweiser als Ergänzer des dritten Buchstabens dabei etwas gedacht? Dessen Klaviertrio ist ungeachtet seines Entstehungsjahrs 1950, wo man eher eine Musiksprache à la Britten oder Hindemith erwarten würde, uneingeschränkt der russischen, spätromantischen Harmonik verpflichtet.
Das als solches namenlose Trio aus Michael Schäfer, Ilona Then-Bergh und Wen-Sinn Yang setzt insbesondere bei dem ausladenden Tschaikowsky-Werk Maßstäbe, die die Einstufung als wichtige Referenzaufnahme mehr als rechtfertigen. Aber auch die anderen Stücke werden makellos und mit Leidenschaft und Hingabe musiziert.
Friedemann Kluge


