Bach, Carl Philipp Emanuel
Quartette für Clavier, Flöte und Bratsche
Salzburger Hofmusik: Linde Brunmayr-Tutz (Traversflöte), Ilia Korol (Viola), Wolfgang Brunner (Klavier)
Carl Philipp Emanuel Bach blieb bis heute unterschätzt. Dabei war er der mutigste Erneuerer unter den Bach-Söhnen. Er hat die barocke Vorstellung, dass ein ganzer Satz oder eine ganze Arie einen Affekt darzustellen habe, über den Haufen geworfen und brachte oft in einem kurzen Zeitraum verschiedenste Gefühle zum Ausdruck. Damit spiegelte seine Musik den Aufbruch der Sturm und Drang-Epoche aus dem Barock in die Abgründe der Romantik.
Wie soll man diese Musik spielen? Wolfgang Brunner stellt diese Frage exemplarisch für den Anfang des D-Dur-Quartetts: In den ersten fünf Takten erklingen fünf verschiedene Affekte. Soll man das zerrissen spielen oder die Unterschiede glatt bügeln? Dass die Entscheidung für einen dieser Wege nicht alternativlos ist, beweist der Hammerklavierspezialist mit seiner Salzburger Hofmusik: Er zeigt die Stimmungswechsel, die sich auf kleinstem Raum ereignen, aber baut sie doch in einem Gesamtzusammenhang ein. Diese weniger radikale Lösung lässt Carl Philipp Emanuel Bachs Musik in einem neuen Licht erscheinen. Sie wirkt so nicht bruchstückhaft, sondern vermag auch große Zusammenhänge darzustellen und eine erzählende Haltung einzunehmen.
Allerdings lebte er in einer Zeit, in der manches Alte in Frage gestellt wurde, aber nicht überwunden war. So sind die Quartette ja gar keine Quartette, wenn man auf die Besetzung sieht: Traversflöte, Viola, Klavier. Man könnte freilich einen Continuobass hinzufügen, was aber schon zu Carl Philipp Emanuel Bachs Zeit nicht immer üblich war. Die vierte Stimme wurde also nur von der linken Hand des Pianisten gespielt. Würde man, so Brunner im höchst informativen Beiheft, einen Bass, etwa ein Violoncello hinzufügen, würde mehr das Kontinuierliche betont und der plötzliche Wechsel von Affekten in den Hintergrund treten.
Doch das Fehlen des Continuobasses bewirkt vor allem auch, dass hier eine neue Freiheit von Kammermusik erlebt werden kann. Wie im G-Dur-Quartett am Anfang die drei Instrumente zusammenspielen, dann einzeln hervortreten, in Dialogen einander zuspielen, das ist gegenüber dem Barock etwas ganz Neues.
Die drei Musiker der Salzburger Hofmusik kosten mit viel Spielfreude und Sinn für Nuancen diese kammermusikalische Freiheit aus. Sie sind bestens aufeinander abgestimmt, was auch den Klang von Traversflöte, Barockbratsche und Hammerklavier betrifft. Hier herrscht eine wohltuende Balance, Voraussetzung für ein Spiel voller Tiefgang wie etwa im Adagio des G-Dur-Quartetts, voller Dramatik im Allegro assai des a-Moll-Quartetts oder virtuoser Spielfreude im Allegro molto des D-Dur-Quartetts.
So lässt sich auf dieser CD ein neuer Carl Philipp Emanuel Bach entdecken, ein Kammermusiker voller Esprit und emotionaler Zerissenheit kein Vorgänger von Wolfgang Amadeus Mozart, sondern ein eigenständiger Meister.
Franzpeter Messmer


