Werke von Roussel, Debussy, Sancan und Jongen

French Recital

Aldo Baerten (Flöte), Stefan De Schepper (Klavier)

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Airophonic 541149980132
erschienen in: das Orchester 12/2016 , Seite 70

Der belgische Komponist Joseph Jongen (1873-1953) wurde in Lüttich geboren. Hier absolvierte er auch sein Studium als Komponist und Organist, in Paris war er kurze Zeit Schüler von d’Indy. Neben der Professur für Kontrapunkt leitete er von 1925 bis 1939 das Konservatorium in Lüttich.
Seine Sonate op. 77 für Flöte und Klavier wird selten gespielt, was daran liegen mag, dass die Notenausgabe nicht leicht zu beschaffen ist. Sie ist 1924 bei CeBeDeM in Brüssel in einer handschriftlichen Fassung erschienen, später dann auch im Notensatz; möglicherweise ist die Ausgabe zurzeit vergriffen. Klanglich geradezu überwältigend bis hin zu ekstatischen Ausbrüchen, in unablässigem musikalischen Fluss, dem kraftvolle Rhythmik in den beiden schnellen Sätzen mitreißende Impulsivität verleiht. Einem Vergleich mit César Francks A-Dur-Sonate kann Jongens nur wenig kürze Flötensonate mühelos standhalten; ein Verdienst sicher auch der beiden Interpreten, die den Intentionen des Komponisten in einer Art und Weise folgen, dass man geradezu süchtig nach dieser Musik werden könnte.
Die übrigen Stücke, vier zwischen 1894 und 1946 entstandene Kompositionen, sind exemplarische und deshalb gut bekannte Beispiele französischer Flötenmusik. Sie wurden, wie mir scheint, bewusst ausgewählt und angeordnet, dass sie einen musikalischen Bogen spannend zu Jongens Sonate hinführen. Den Anfang machen die berühmten Flötisten der Zeit gewidmeten Joueurs de Flûte von Albert Roussel (1924), vier spielerische Impressionen verschiedener Temperamente. Dann folgt klanglich und in der musikalischen Diktion kontrastierend das ursprünglich orchestrale Prélude à l’après-midi d’un faune von Claude Debussy (1894), danach sich daraus wie selbstverständlich ergebend sein Solostück Syrinx (1913) und schließlich die Sonatine von Pierre Sancan (1946) mit einer moderneren, aber doch noch impressionistischen Klanglichkeit.
Eine hohe musikalische Ansprüche stellende Auswahl, die große Atembeherrschung, vielfältige Klangfarben und eine ungemein flexible Dynamik verlangt, Qualitäten, über die der Flötist geradezu mühelos zu verfügen scheint. Davon profitiert die Debussy-Prélude-Einrichtung für Flöte und Klavier von Frans Vester (1984). In ihr ist die Flöte immer präsent, nicht (nur) das besondere Ereignis wie in der Orchesterfassung, während das Klavier sich alle anderen Instrumente verwandeln muss. Eine Aufgabe, die der als ständiger Begleiter u.a. der Flötenklassen in Antwerpen mit Flötenmusik aller Epochen vertraute Pianist Stefan De Schepper so perfekt löst wie er in jeder Situation ein vollkommen mitbestimmender Spielpartner ist. Der Flötist Aldo Baerten hat bei Peter-Lukas Graf in Basel studiert und wirkt als erster Flötist der Royal Fle­mish Philharmonic, ein durch den Dirigenten Philipp Herreweghe mit historischer Aufführungspraxis vertrautes Orchester. Er konzertiert und unterrichtet, dies seit einiger Zeit auch an der Musikhochschule in Münster. Beide Musiker haben dieses wunderbar stimmige Programm mit perfekter Präzision in Timing, Klang und Nuancen realisiert, der Musik intensiv folgend.
Ursula Pešek

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