Werke von Bruch, Kilar, Mozart und Tschaikowsky

Young Spirit of Serenades

Deutsche Streicherphilharmonie, Ltg. Wolfgang Hentrich

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Genuin GEN 16414
erschienen in: das Orchester 12/2016 , Seite 67

Junge Leute musizieren aus einem eigenen Geist heraus: Pubertät macht besonders lebendige Töne. Die hier in Rede stehende CD mit Werken von Bruch, Mozart, Kilar und Tschaikowsky hat die Deutsche  Streicherphilharmonie (DSP) eingespielt.
Und fürwahr, dieses Ensemble, das in den 1970ern in Ost-Berlin als „Rundfunk-Musikschulorchester“ gegründet wurde und die Wende als „Deutsches Musikschulorchester“ überdauerte, vollbringt Erstaunliches. Man muss schon sehr genau hinhören, um festzustellen, dass hier keine Profis am Werk sind. Es sind die Besten aus den Musikschulen, nach wie vor, die hier von namhaften Dirigenten und einem ganzen Stab von Profimusikern (vom Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin) an die Hand genommen und zu ersten gemeinschaftlichen Höchstleistungen motiviert werden.
Dass hier Schüler musizieren, hört man noch am ehesten an der jugendlich hellen Klangfarbe des gemeinsamen Schreis des Ensembles, der Kilars Orawa von pointiert beendet. Das 1984 entstandene Stück steht zentral auf der CD zwischen Bruchs berühmter Serenade auf schwedische Volksmelodien und Mo­zarts Kleiner Nachtmusik und ist so etwas wie das Herz der Platte. Der Penderecki-Schüler Wojciech Kilar ist einem breiten Publikum bekannt geworden durch seine Filmmusik zu Der Pianist und Bram Stoker’s Dracula – nach einer avantgardistischen Phase Ausgang der 1960er hat er sich postmodernen Techniken zugewandt. Das Landschaftsgemälde Orawa beginnt zunächst sehr energetisch minimalistisch, später wird die Musik expressiv und steuert zielgerichtet auf den fulminanten Schluss hin. Die Streicher produzieren jede Menge Dezibel, bevor’s mit einem Tutti-„Hej!“ ausgeht. Das macht gleichermaßen Spaß zu spielen wie zuzuhören.
Wolfgang Hentrich leitet die DSP seit 2013, der gelernte Geiger (Konzertmeister in Dresden und Chemnitz) hat bei Orawa eher einen zügelnden Part, wenngleich die Bin­nendifferenzierung des Orchesters beachtlich weit gediehen ist. Das genießt man besonders bei den großen Eckwerken dieser Zusammenstellung: Bruchs und Tschaikowskys Serenaden. Beides Meisterwerke, Standardrepertoire für Streicher-kammerorchester, beides Nagelproben für Tongebung, Intonation und Zusammenspiel. Die DSP brilliert geradezu. Romantik, gleich ob nordisch oder russisch gefärbt, liegt ihr. Hentrich kultiviert einen Team-Spirit ohnegleichen, der satte, warme, äußerst dynamische Streicherklang schmeichelt geradezu dem Ohr.
Dass Mozarts Kleine Nachtmusik in diesem Album vor allem musikalisch eher Hausmannskost bietet, sei nur am Rande vermerkt.
Um diese äußerst empfindliche, weil omnipräsente Musik neu, aufregend, sensationell musizieren zu können, braucht es etwas mehr als hohes technisches Können und jugendlichen Enthusiasmus. Am besten gelingt Mozart, wenn erfahrene Klangkörper Jugendlichkeit, vielleicht auch etwas Leichtsinn ihrem Alltag abzutrotzen bereit sind. In das Alter müssen die Musiker der Deutschen Streicherphilharmonie erst noch kommen.
Armin Kaumanns

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