Köhler, Burkhardt

Studien zur Dresdner Hofkapelle im 17. Jahrhundert

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Verlag Dr. Kovac, Hamburg 2015
erschienen in: das Orchester 01/2016 , Seite 68

Das schmale Bändchen vereinigt drei unabhängige Studien. Zwei kürzere Arbeiten zum Komponisten Johann Vierdanck sowie zum Weissenfelser Convivium von 1615 stehen der ausführlichen Betrachtung von Heinrich Schütz’ Dafne voran. Allen Artikeln gemeinsam ist das außerordentlich gründliche Studium der Quellen. Deutlich wird dabei Vierdancks Bedeutung als Schütz-Schüler, und sein Dresden-Aufenthalt kann präzise datiert werden. Enttäuscht von der ausbleibenden Förderung durch die Dresdner Hofkapelle wandte sich Vierdanck 1629 norddeutschen Gefilden zu, wo er als bemerkenswerter Komponist Karriere machte. Die Studie zum Convivium ermöglicht aufgrund der Aufarbeitung zahlreicher Akteneinträge interessante Einblicke der Begegnungen zwischen Schein, Schütz und Prätorius.
Schütz’ Dafne von 1627 ist ein bedeutsames historisches Zeugnis für die Entstehung der Oper in Deutschland. Köhler widmet sich vor allem zwei zentralen Fragen: wie es denn erstens überhaupt kam, dass in dieser Zeit ein deutschsprachiges dramatisches Vokalwerk aufgeführt wurde und ob zweitens Dafne ein mit gesprochenem Text durchsetztes Singspiel oder eine durchkomponierte Oper war. Er berücksichtigt bei seiner Betrachtung alle wichtigen Perspektiven vom Anlass über die Besetzung und Ausstattung bis hin zur Frage des Librettos, das Martin Opitz nach italienischem Vorbild des Textes Rinuccinis von 1600 bearbeitete. Zusätzlich gewinnen die Klärungen dieser Fragen historischen Tiefgang durch Sichtung von höfischen Veranstaltungen und Schütz’ Aufenthalt in Venedig, wodurch die Frage nach den Vorbildern für Dafne präziser herausgearbeitet werden kann.
Von besonderem Interesse ist die Erwähnung englischer Schauspieltruppen, die anlässlich der Hochzeitsfeierlichkeiten des Kurfürsten Georg gastierten und zahlreiche Aufführungen in englischer Sprache bestritten, unter anderem Shakespeare-Stücke. Um hier eine Demonstration deutschsprachiger Kunst zu bieten, durch die „Fruchtbringende Gesellschaft“ verstärkt ab 1623 kultiviert und von der kunstliebenden Kurfürstin Magdalena Sybilla gefördert, entstand die „Singe-Instrumental-Tragicomedie“, die am 13. April 1627 den Höhepunkt der Hochzeitsfeierlichkeiten bildete. Deutlich, aber nicht vollständig überzeugend, arbeitet Köhler Monteverdis Orfeo als das einzig mögliche Vorbild aufgrund der differenzierten Angaben zum Instrumental- und Gesangsstil heraus.
Mit dem abschließenden „Versuch“ einer Gliederung der Partitur plädiert der Autor für die Annahme einer durchkomponierten Oper. Ein präziser Vergleich zwischen Libretto und italienischem Vorbild sowie Unwägbarkeiten der festlichen Gesamtdramaturgie, schließlich die Unerfahrenheit des Komponisten und der Musiker bei der musiktheatralischen Inszenierung erklären den mangelnden Erfolg der Aufführung. „Pro Dafne“, der Titel der Studie, setzt sich lobenswert für ein gescheitertes Werk ein, dessen historischer Wert durch sein Scheitern nicht geschmälert wird.
Steffen A. Schmidt

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