Scandello, Antonio
Im Himmel und auf Erden
Clarissa Thiem (Sopran), Giovanni Cantarini (Tenor), Chordae Freybergenses, Ltg. Susanne Scholz
Mit seiner Johannespassion aus dem Jahr 1561 hatte der um 1517 im italienischen Bergamo geborene, anfangs in seiner Vaterstadt sowie in Trient als Zinkenist wirkende, 1549 dann auf Lebenszeit in die Dienste des Kurfürsten Moritz von Sachsen getretene Antonio Scandello herausragende Bedeutung erlangt. War doch dieses A-cappella-Werk, in dem die redenden Personen des biblischen Textes noch in Chor- oder gegebenenfalls geringstimmige Ensemblesätze gefasst waren (nur die Worte des Evangelisten ordnet Scandello schon einem Solisten zu) und dem noch eine Auferstehungshistorie folgte, wegweisend für Heinrich Schütz eigene Vertonungen gewesen. Am Dresdner Hof des auf Moritz folgenden Kurfürsten August stieg der anfängliche Instrumentalist 1568 bis zum Capellmeister auf. Als Komponist hinterließ Scandello auch zwei italienischsprachige Sammlungen mit Canzonen, vor allem aber war ihm an der Herausgabe mehrerer Drucke mit Deutschen Liedern, geistlichen wie weltlichen Inhalts gelegen, in denen er die italienische Madrigalkunst und deren melodische Gefälligkeit mit der hergebrachten strengen Form der deutschen Liedmotette und des Chorlieds zu verschmelzen suchte.
Mit ihrer Einspielung, einer Auswahl von geistlichen deutschen Liedern und weltlichen italienischen Canzonen des Komponisten, haben das Label Querstand und das Ensemble Chordae Freybergenses unter der Leitung von Susanne Scholz allerdings mehr das trennende Nebeneinander der Formen und Gattungen aufzeigen wollen und weniger, was Scandello zu verbinden suchte. Geistliches wie Weltliches fasst der Komponist dabei in chorisch mehrstimmige Sätze, was aber in keiner Weise bedeutet, dass man dies bedingungslos nur rein vokal aufzuführen hat. Susanne Scholz wählt sogar nur eine Vokalstimme in den geistlichen Werken ist es ein Sopran, in den weltlichen ein Tenor der sie, was die restlichen Stimmen anbelangt, Instrumente beifügt.
Die aber sind hier von unschätzbarem historischen Wert, denn es handelt sich um die detailgetreuen Kopien der verschiedenen Geigen unter den insgesamt 30 größtenteils spielbaren (!) Instrumenten, die die Engelsputten hoch oben im Gewölbe des Chorraums im Freiberger Dom seit 1594 über die Jahrhunderte hinweg in den Händen hielten. Der helle Klangcharakter der unterschiedlich mensurierten Renaissancegeigen vom Kleindiskant bis zur Bassgeige mutet an das Spektrum eines Gambenconsorts an und Susanne Scholz und ihr Ensemble wissen ihn weit und farbig aufzufächern.
Von der kompositorischen Struktur her durchsichtig, vielgliedrig und voller differenzierender Lebendigkeit gehalten, fügt sich in den geistlichen Sätzen der gerade linierende Sopran von Clarissa Thiem ganz ungekünstelt und gerade dadurch besonders wirkkräftig als Baustein der Satzarchitektur in den instrumentalen Klang ein. Rhythmisch ein wenig prononcierter und vitaler, auch im Ausdruck um einiges beherzter, ja bisweilen schon recht keck geht das Ensemble zusammen mit dem Tenor Giovanni Cantarini an die weltlichen Lieder heran, doch immer bleibt die musikalische Umsetzung auch hier in höchstem Maße biegsam und geschmeidig.
Thomas Bopp