Beethoven, Ludwig van

Die fünf Klavierkonzerte

Urtext, hg. von Jonathan Del Mar, Studienpartituren im Schuber

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Bärenreiter, Kassel 2015
erschienen in: das Orchester 11/2015 , Seite 74

In den 1990er Jahren machte der Musikwissenschaftler Jonathan Del Mar mit seiner Urtext-Ausgabe der neun Symphonien von Beethoven Furore – und das nicht nur im akademischen Zirkel. Nein, kaum waren die Ausgaben greifbar, haben sie viele Dirigenten und Orchester für ihre Konzerte und CD-Aufnahmen dankbar aufgegriffen. Denn der Zustand der Beethoven-Philologie nicht zuletzt bei den Symphonien war alles andere als optimal. John Eliot Gardiner und David Zinman waren die Pioniere am Pult, viele Kollegen folgten ihnen. Auch Altmeister, zum Beispiel Bernard Haitink, die die Sinfonien in alten Ausgaben gelernt haben, nutzen längst die dunkelroten Notenbände von Del Mars Ausgabe.
Nicht dunkelrot, sondern blau – wie generell die Studienpartituren – war dann die Box mit den Studienpartituren der Beethoven-Symphonien. Diese erschien, kaum dass der letzte Band der großen Partituren nebst Kritischem Bericht vorlag. Dieser fehlt natürlich bei den Studienausgaben, die sich ja auch weniger an ein Fachpublikum und professionelle Interpreten, sondern an Schüler, Studenten und interessierte Laien wenden.
Die verdienstvolle Praxis, die Studienausgabe unmittelbar auf das Erscheinen der großen Partituren folgen zu lassen, hat der Bärenreiter-Verlag erfreulicherweise jetzt auch bei der Ausgabe der fünf Klavierkonzerte Beethovens durch Jonathan Del Mar fortgesetzt. Eben erst erschien das fünfte Klavierkonzert „in groߓ und mit allen praxisrelevanten Teilen wie Solostimme, Klavierauszug und Kritischem Bericht, schon ist die preiswerte Box mit den Studienpartituren aller fünf vollständigen Konzerte zu haben. Damit können nun alle Beethovenianer und solche, die es werden wollen, mühelos zum Studium einen vorzüglich erstellten Notentext der Klavierkonzerte zur Hand nehmen. Dabei gibt es für die, die nicht unbedingt Beethoven-Forscher oder -Experten sind, viel zu lernen und zu entdecken.
Im Vorwort zu jedem Band gibt es zum Beispiel einen kurzen Abriss zur Geschichte und Chronologie der Gattung bei Beethoven, zur Editionspraxis, die auf die Besonderheiten von Beethovens Schreibweise Rücksicht nimmt, und zur Anlage des Soloparts, in dem zu Beethovens Zeiten alle Angaben enthalten waren, damit der Solist auch das Orchester leiten konnte. Die heute üblichen Dirigierpartituren erschienen erst lange nach Beethovens Tod.
Natürlich musste Jonathan Del Mar im Detail viele editorische Entscheidungen treffen, aber sein Text ist in jedem Fall näher an Beethovens Original und authentischer als die bisherigen, in denen beispielsweise der Ambitus erweitert wurde, analog zur erweiterten Klaviatur moderner Klaviere.
So wie bei den großen Partituren zu wünschen ist, dass sie in der Praxis reichlich Verwendung finden, so ist zu wünschen, dass die nun vorliegende Box in musikwissenschaftlicher Lehre und Forschung sowie beim privaten Studium dieser fünf Konzerte einen festen Platz bekommt. Denn es ist doch eine besondere Freude und ein Gewinn, wenn vermeintlich Bekanntes in ganz neuem Licht erscheint.
Karl Georg Berg

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