Bruckner, Anton

Symphony No. 9 in d-Minor

Staatskapelle Berlin, Ltg. Daniel Barenboim

Rubrik: DVDs
Verlag/Label: Accentus Music / Unitel Classica ACC 202179
erschienen in: das Orchester 09/2015 , Seite 84

Musik ins Bild zu setzen, ist eine schöne Sache. Und es ist eine aufwendige Sache. Für diese Aufzeichnung aus der Philharmonie in Berlin vom 27. Juni 2010 waren acht Kameras im Einsatz. Der Ton muss stimmen, das Licht muss stimmen. Die Musiker stehen unter einem besonderen Druck, da nicht nur ihre klangliche Leistung, sondern auch ihre visuelle Erscheinung aufgezeichnet werden. Der Zuschauer der DVD wird mit viel mehr Eindrücken versorgt als der Hörer einer CD. Video und CD lassen sich daher nicht auf einer Ebene vergleichen.
Auf dem richtigen Player gespielt, liefert das Video ein sehr plastisches Bild, das auf einem HD-Fernseher in den Nah- und Großeinstellungen an die Auflösung einer Blu-Ray heranreicht. In den Totalen allerdings verschwimmen kleinteilige Motive.
Auf der Tonseite bietet die DVD die üblichen Optionen von Stereo-Ton sowie Dolby Digital und DTS (Digital Theater Systems) als Surround-Ton. Natürlich ist man mit einer sehr guten Surroundanlage am besten bedient und bekommt zum sehr scharfen und detailreichen Video die passende Raumillusion. Im Stereomodus ist wieder vieles vom Player abhängig. Es ergibt sich der Eindruck, als sei der Klang gegenüber einer CD in der Dynamik eingeengter und in der Tiefe und Plastizität reduzierter.
Das Bild macht vieles wett. Regisseur Enrique Sanchez Lansch – genau: der von Rhythm is it! – arbeitete nach der klassischen Methode des Auflösens. In der Regel werden die Musiker nah bis groß ins Bild genommen, die gerade relevantes Material spielen. Ungeachtet verschiedener Versuche, gerade Orchester anders abzubilden – mehr aufs Ganze gerichtet, mit Kran, über die Bühne gespannten Spidercams oder an Masten laufenden Towercams – erscheint diese klassische Methode immer noch als die der klassischen Musik am besten angemessene. Das Auge erhält die dem akustischen Ereignis entsprechende Information und erlebt die Bildfolge gleichsam als Gang durch die Partitur. Natürlich sind immer wieder der Dirigent und der Saal groß im Bild.
So vergeht die mangels Vollendung für Anton Bruckner kurze Neunte mit ihren sechzig Minuten wie im Flug. Barenboim ist bei dieser Musik zu Hause, Bruckner stand seit Beginn seiner Dirigentenlaufbahn auf der Agenda. Trotz aller emotionalen Wärme behält er kühlen Kopf und disponiert sehr klar und akzentuiert. Die Tempi sind straff und vorwärtsgerichtet, Bruckners Musik erhält eine geradezu unerwartete Stringenz und Helligkeit, ohne ihren magisch-rätselhaften Untergrund zu aufzugeben. Von seinem Orchester erhält Barenboim genau das, was er möchte; vielleicht nicht so makellos wie von den Philharmonikern, aber mit dem Können und Professionalität eines sich seiner Bedeutung bewussten Klangkörpers. Ins Bild gesetzt wird Bruckner „pur“ – auf den oft angehängten Beschluss der Symphonie mit dem Te Deum haben Barenboim und das Orchester verzichtet.
Laszlo Molnar

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