Werke von Britten, Prokofjew und Schostakowitsch

The Cello Sonatas

Daniel Müller-Schott (Violoncello), Francesco Piemontesi (Klavier)

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Orfeo C872 151 A
erschienen in: das Orchester 09/2015 , Seite 83

Vielfältig sind die „roten Fäden“: 1959 stellte Dmitri Schostakowitsch seinem Kollegen Benjamin Britten den Cellisten Mstislaw Rostropowitsch vor. Der Brite war vom Spiel des Russen so angetan, dass er ihm fünf Werke widmete, darunter die 1961 fertiggestellte Cellosonate. Sergej Prokofjew schrieb seine Cellosonate 1949 dem 22-jährigen Rostropowitsch auf den Leib, während Schostakowitsch seine Begeisterung für den cellospielenden Vulkan in zwei späten Cellokonzerten zum Ausdruck brachte.
Seine Sonate hingegen ist ein Frühwerk, es entstand 1934, kurze Zeit, bevor der vernichtende Prawda-Artikel sein Leben grundlegend veränderte. Gemeinsam mit dem Cellisten Victor Kubatzki führte der Komponist das Werk häufig auf. Im Kontext der hier eingespielten Sonaten besticht
es durch Frische und Originalität, virtuos wechselt Schostakowitsch von Formstrenge und romantischer Gefühlsechtheit zu Ironie und Jahrmarktsgeplärre.
Bei aller Meisterschaft, die wir den Werken Prokofjews und Brittens entnehmen, drängt sich der Eindruck auf, dass allein Schostakowitschs Sonate Musik aus erster Hand ist: unmittelbar, schnörkellos. Prokofjew zeigt sich in seiner Sonate weit entfernt von der Wildheit früher Jahre: Geläutert (oder eher: eingeschüchtert) durch die Erfahrungen eines Künstlerlebens im Sowjetsystem schreibt er Musik, in der sich emotionale Aufwallungen und gelassenes Spiel der Töne die Waage halten. Brittens Sonate zeigt sich zumal in den Mittelsätzen beeinflusst durch Elegisches und Parodistisches aus der Feder des verehrten Kollegen Schostakowitsch.
In bester Rostropowitsch-Tradition interpretiert Daniel Müller-Schott die drei Werke mit aller gebotenen Verve. Dieser „furchtlose Spieler mit überragender Technik“ (so die New York Times), der nach Studien bei Heinrich Schiff und Steven Isserlis den Privatunterricht des großen Russen genießen konnte, entlockt seinem Goffriller-Cello ein enormes Klangspektrum: sehnig in der Mittellage, samtig in der Tiefe, tenoral strahlend in den hohen Lagen. Sein Spiel ist indes nicht gefeit vor Überspitzungen, die in günstigen Momenten Intensitätssteigerungen, gelegentlich aber den Eindruck hervorrufen, hier möchte jemand vorführen, wie laut, schnell, effektvoll man auf einem Cello spielen kann. Zudem bleiben die Betriebsgeräusche durch das Aufschlagen der Saiten auf dem Griffbrett nicht immer im Rahmen des Tolerablen. In Francesco Piemontesi hat Müller-Schott einen Partner zur Seite, der die anspruchvollen Klavierparts (alle drei Komponisten waren großartige Pianisten!) exzellent beherrscht.
Ingo Hardens Einführungstext informiert kompetent über die Werke. Die Biografien der beiden Künstler nehmen im Booklet großen Raum ein, und einmal mehr verstören werbende Worte: „Hier“, so lesen wir, „werden kompositorische Freiheiten des 20. Jahrhunderts mit neuer eigener Schlüssigkeit instrumentaltechnisch ergiebig und emotional packend ausgekostet“ … Eine Warnung vor Müller-Schotts bisweilen ins Kraut schießender Cellistik?
Gerhard Anders

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