Géliot, Christine

Mel Bonis

Leben und Werk einer außergewöhnlichen Frau und Komponistin

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Furore, Kassel 2015
erschienen in: das Orchester 09/2015 , Seite 69

Die Wiederentdeckung der Komponistin Mel Bonis (1858-1937) verbindet sich seit Langem mit zwei Namen: dem ihrer Urenkelin Christine Géliot, die 1998 im Selbstverlag eine erste Biografie vorlegte (weitere Auflagen seit 2000 bei der Pariser Édition L’Harmattan), und mit demjenigen von Eberhard Mayer (gest. 2005), Arzt und Violoncellist, der mit seinem Ensemble Mel Bonis in zahlreichen Konzerten und CD-Einspielungen das Werk der französischen Musikerin bekannt machte. Daneben haben, wie die dem Buch beigefügte Diskografie zeigt, auch andere Musiker Mel
Bonis eingespielt; viele Werke für Orgel, Klavier, Flöte, Gesang und verschiedene  Kammermusikbesetzungen sind bereits auf CD zugänglich.
Als Begleitprogramm für die Edition von Mel Bonis’ Klavierkompositionen, die der Furore-Verlag plant, hat Eberhard Mayers Witwe Ingrid Mayer die Biografie von Christine Géliot nun flüssig und sprachgewandt ins Deutsche übersetzt. Der Text wurde mit zahlreichen Abbildungen ergänzt und bietet das sehr persönlich gehaltene Porträt einer bemerkenswerten Frau: 1858 in eine einfache Pariser Familie geboren (der Vater war Uhrmacher), gelang es der jungen Mélanie, sich vorwiegend im Selbststudium die Voraussetzungen für ein Musikstudium anzueignen. Nach privatem Klavierunterricht bei César Franck wurde sie 1876 ins Konservatorium aufgenommen und rückte 1880 in die Kompositionsklasse auf.
Während sich zu dieser Zeit die berühmte Ausbildungsinstitution Frauen gegenüber also erstaunlich offen zeigte und Mélanie Bonis von ihren Lehrern und Mitstudenten geschätzt und gefördert wurde, war es in diesem Fall die Familie, die der Laufbahn ein abruptes Ende setzte: Mélanie Bonis hatte sich in ihren Kommilitonen Amédée-Landély Hettich verliebt, der als Musikkritiker und Gesangslehrer Karriere machen sollte. Ein Heiratsantrag Hettichs wurde von den Eltern abgelehnt, Mélanie Bonis musste umgehend das Konservatorium verlassen. Drei Jahre später wurde sie mit Albert Domange verheiratet, einem begüterten Witwer, der fünf Söhne in die Ehe mitbrachte.
In der Folge, dies Bild vermittelt Géliots Roman-Biografie, führte die Musikerin ein Doppelleben zwischen Familien- und Repräsentationspflichten einerseits und der kompositorischen Arbeit andererseits. 1880 hatte sie sich für ihre Veröffentlichungen das geschlechtsneutrale Pseudonym „Mel Bonis“ zugelegt, pflegte Kontakt zu ehemaligen Mitstudenten, Textdichtern und Verlegern – und arbeitete schließlich auch wieder mit Hettich zusammen. 1899 brachte sie heimlich Madeleine, außereheliches Kind aus der Verbindung mit ihm, zur Welt und gab die Tochter in eine  Pflegefamilie, wo sie von „Mad. Domange“ und Hettich gelegentlich besucht wurde.
Verbindungsglied zwischen dem umfangreichen Werk von Mel Bonis und dem offiziellen Leben von „Mad. Albert Domange“ sind die zahlreichen Klavierkompositionen, die für Kinder, Verwandte und Freundinnen entstanden sind, viele davon mit poetischem Titel und Programm. Dass sie vom Furore-Verlag nun ediert werden sollen, ist willkommen; es ist aber auch eine Wiederbelebung der noch weitgehend unbekannten Orchesterkompositionen zu wünschen.
Freia Hoffmann

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