Mozart, Wolfgang Amadeus
The 5 Violin Concertos
David Grimal (Violine), Les Dissonances
Ein opulent ausgestattetes Buch in Englisch und Französisch begleitet die vorliegende neue Gesamteinspielung von Mozarts Violinkonzerten, die am 1. März 2014 live in der Pariser Cité de la musique mitgeschnitten wurde. Leider jedoch ist der äußere Schein mehr als der faktische Gehalt die Bookletbeiträge (mit teilweise minderwertigen Übersetzungen aus dem Französischen ins Englische deutsche Begleittexte fehlen) bieten nicht jene Tiefe, die man sich als Leser erhofft hätte. Eine Bezugnahme auf all jene Werke, die die fünf Violinkonzerte umgeben (inklusive dem Adagio KV 261, dem Rondo KV 261a oder den Serenaden mit Violinsolo, gar nicht zu sprechen vom Concertone und den Sinfonie concertanti), unterbleibt ebenso wie eine vertiefte Erkundung von historischen Aufführungsbedingungen, Spieltechniken oder Besetzungen.
Besondere Qualität der Interpretationen ist eine große Frische und Lebhaftigkeit, die an Einspielungen der 1970er oder frühen 1980er Jahre denken lassen. Große Durchhörbarkeit ist die natürliche Konsequenz der digitalen Aufnahmetechnik. Natürliche Phrasierung und möglichst plastische Herausarbeitung des musikalischen Materials sind die vielleicht offenkundigsten Qualitäten des Solisten David Grimal und seines 2004 gegründeten Ensembles Les Dissonances.
Grimal versucht (dies wird in einem im Booklet abgedruckten Essay ausführlich erläutert), einen undogmatischen neuen Zugang zu finden, doch gerät seine Interpretation dagegen zu dem Versuch eines Spagats, traditionelle interpretatorische Sichtweisen und historisch informierte Aufführungspraxis zu verbinden. Weder kann Grimal jedoch (der sich von Brice Pauset neue Kadenzen hat schreiben lassen) als Solist mit den größten Geigern der Vergangenheit mithalten noch mit den bedeutendsten Exponenten der historisch-informierten Szene.
Die zwei CDs werden ergänzt um eine DVD, auf der die fünf Werke (in den identischen Interpretationen) auch eine visuelle Präsentation erfahren. Stärker noch als auf den CDs wird hier offenbar, dass die Orchestermusiker den historisch informierten Ansatz mehr verinnerlicht haben als der Solist und Leiter. Besonders fällt Grimals extrem stark ausgeprägtes (fast) Dauervibrato auf, das nicht als Stilmittel, sondern nahezu durchgehend als Selbstverständlichkeit (und damit im schlimmsten Sinne konventionell) eingesetzt wird.
Dass einige seiner Phrasierungsentscheidungen mindestens diskussionsfähig sind, beeinträchtigt die Interpretationen im Vergleich hierzu nur wenig stärker wirkt hier die Präsenz aller Stimmen, die Intimität und orchestralen Gestus in erfreulicher Lebendigkeit miteinander verbindet. Wer undogmatisch eine frische, aufnahmetechnisch auf neuestem Stand dargebotene Interpretation der fünf Konzerte sucht, kommt hier auf seine Kosten.
Jürgen Schaarwächter


