Strauß, Johann

Nikolaus Harnoncourt Johann Strauss II

Die Fledermaus / Der Zigeunerbaron / An der schönen blauen Donau / Johann Strauß in Berlin / Neujahrskonzert 2001, Berliner Philharmoniker, Royal Concertgebouw Orchestra Amsterdam, Wiener Philharmoniker, Wiener Symphoniker, 7 CDs

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Warner Classics 825264222391
erschienen in: das Orchester 04/2015 , Seite 79

Nikolaus Harnoncourt, der am 6. Dezember 2014 seinen 85. Geburtstag feierte, begann als einer der Pioniere der „Historisch informierten Aufführungspraxis“, um sich peu à peu dem Repertoire auch des 19. Jahrhunderts zuzuwenden und ihm seinen persönlichen Stempel aufzudrücken. Das gilt auch für die Musik von Johann Strauß.
In einer großen 7-CDs-Jubiläumsbox sind nun seine legendären Strauß-Aufnahmen mit dem Concertgebouw Orkest, mit den Wiener Symphonikern, auch den Wiener und den Berliner Philharmonikern nachzuhören. Die Aufnahmen mit dem Concertgebouw Orkest aus dem Jahr 1986 offenbaren einmal mehr die Ausnahmequalität des Orchesters. Die niederländischen Musiker spielen zwar vor allem Populäres, allerdings nach der Neuen Johann Strauss Gesamtausgabe, und das delikat; es fehlt nicht an „Harnoncourt-Feuer“. Manches gerät allerdings etwas brachial, beispielsweise die Polka Unter Donner und Blitz.
Über die ebenfalls in Amsterdam live eingespielte Fledermaus von 1988 kann man sich streiten. Sie kommt behäbig daher, in überwiegend langsamen Tempi. Harnoncourt hat in einigen Fällen Striche aufgemacht, beispielsweise im Rosalinde-Csárdás. Edita Gruberova singt ihn mit Aplomb! Auch die Ouvertüre ist rasant gespielt. Manches klingt rhythmisch überexakt, ja „buchstabiert“. Insgesamt fehlt der Aufnahme der gewisse Drive, der forwärtsdrängende Schwung. Auch die Dialoge fehlen, bis auf André Hellers Frosch-Auftritt. Exzellent ist der Dr. Blind von Waldemar Kmentt. Doch es gibt eine Reihe von sängerischen Ausfällen. Immerhin gestaltet Werner Hollweg einen brillianten Eisenstein, Marjana Lipovšek singt einen geradezu lasziven Orlofsky.
Der Zigeunerbaron, mit den Wiener Symphonikern, 1984 im Konzerthaus mitgeschnitten, enthält zwar Dialoge, doch das Werk ist ein weithin ironieloses Stück mit unbehaglichen militaristischen Akzenten, die auch Harnoncourt nicht entschärfen kann. Dafür überrascht er mit manchen Takten bislang unbekannter Musik, etwa mit zwei Melodram-Szenen im ersten Akt. Rudolf Schaschings behäbiger Zsupan, Christiane Oelzes schuberthaft gesungene Arsena, Pamela Coburns unbeteiligt klingende Saffi und Herbert Lipperts ganz und gar lahmer Barinkay bilden ein sehr heterogenes Ensemble. Die große Ausnahme ist die prachtvolle Czipra von Julia Hamari. Immerhin dirigiert Nikolaus Harnoncourt kraftvoll, mitunter setzt er sogar seziermesserscharfe Akzente.
Sowohl der Livemitschnitt mit den Berliner als auch das Neujahrskonzert 2001 mit den Wiener Philharmonikern zeichnen sich durch die erfreuliche Initiative aus, immer wieder auch weniger bekannte Strauß-Werke zu präsentieren. Mit den Berliner Philharmonikern etwa hat Harnoncourt die Berliner Urfassung der Ouvertüre zur Operette Eine Nacht in Venedig eingespielt, mit den Wiener Philharmonikern die Polkas Electrophor und Josef Strauߒ Harlekin. Beide Orchester spielen präzise, unroutiniert, mit überraschenden instrumentalen Details und mit Leidenschaft.
Dieter David Scholz

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