Blömer, Rüdiger
Lamento
für Viola / Violoncello solo und Kamemrorchester, Partitur
Ein interessanter Mann, dieser Rüdiger Blömer. Geboren wurde er 1960 in Mönchengladbach, studierte Komposition und Violine in Köln und lebt in Aachen, wo er an der Hochschule für Musik und Theater Köln/ Standort Aachen Tonsatz und Musiktheorie unterrichtet und daneben freiberuflich auch noch als Tonmeister tätig ist.
Sein bisheriges uvre präsentiert sich ebenso vielseitig wie seine Vita: Kompositionen für großes Orchester stehen neben Kammermusik, es finden sich Filmmusik, Werke für Rock-Streichorchester und Rock-Streichquartett (!), E-Gitarre, Cembalo und Orchester und manches mehr. Berührungsängste scheinen ihm wohl fremd zu sein, er bewegt sich in einem quasi multi-stilistischen Raum.
Ich gestehe freimütig, dass ich zu den Zeitgenossen gehöre, denen im Allgemeinen ein derartiges Ausmaß an stilistischer Flexibilität ein wenig suspekt erscheinen mag, verbirgt sich dahinter aller Erfahrung nach nur allzu oft modische Beliebigkeit. Ein genauerer Blick in die vorliegenden Partituren von Blömers Lamento aus dem Jahr 2000 in den Fassungen wahlweise für Bratsche oder für Cello und Kammerorchester (Streicher, Schlagwerk, Glocken und Klavier) räumt im Vorfeld vielleicht aufkommende Befürchtungen modischer Seichtheit jedoch recht schnell aus.
Es handelt sich um ein Stück expressiver Rezitationsmusik durchaus in der Tradition von Hindemiths und Lutoslawskis Trauermusiken oder etwa des Grave für Violoncello und Streicher des letzteren Komponisten. Blömer selbst schreibt dazu: In diesem Werk wird das ,klagende Solo der Viola bzw. des Violoncellos mit dem Klangraum eines um Klavier und Perkussion vergrößerten Kammerorchesters erweitert. Die assoziative Szenerie einer Schauspielsituation (Darsteller-Chor) spielt die entscheidende Rolle in der Interpretation. Dies wird am Ende des Werkes im ,Senza misura-Klangfeld nach großer abrupt abbrechender Steigerung besonders deutlich. Die Selbstbehauptung des Individuums findet ihren augenscheinlichen Ausdruck im expressiven Dialog der Solostimme mit über weite Strecken chorisch geführten Tutti-Streichern. Traditionelle Klangmuster der Streicher stehen neben Cluster-Klängen und Polytonalität à la Schnittke (T. 98 ff.) im zwischen Harmonie- und Schlaginstrument wechselnden Klavier. Am Ende des Werks sind Solist und Streicher zusätzlich gefordert, sich vokal, also singend einzubringen. Den ausgebildeten Streicher kann und will Blömer in seinem Lamento keinen Augenblick verleugnen: Die typischen Effekte und Farben (sul ponticello, molto vibrato, glissando etc.) sind sehr zielgerichtet und effektvoll, dabei mit Geschmack eingesetzt.
Fazit: ein interessantes Stück und gerade für die ansonsten nicht mit einem Überfluss an Meisterwerken gesegneten Bratscher eine sehr willkommene Erweiterung des Repertoires.
Herwig Zack


