Poos, Heinrich
Missa Carminum
Hommage à Leo Janácek für gemischten Chor (SATB) und Instrumente (Klarinette, Violine, Violoncello), Klavierauszug, zugleich Chorpartitur/Stimmensatz
 	Heinrich Poos (*1928) hat in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche bedeutende Chorwerke komponiert, wie das Vater unser oder die Zeichen am Weg. Er versteht es, sehr geschickt mit dem Chor umzugehen
 	und in einer gemäßigt modernen Tonsprache prägnanten Ausdruck und Klangexpressivität zu vereinen. Schon verschiedene Male bediente er sich der Kompositionstechnik der Kontrafaktur, beispielsweise in Nacht und Träume für Frauenchor und Klavier, wo er das Fis-Dur-Prélude von Chopin zugrunde gelegt hat.
 	Sicher ist es ein künstlerisch gewagtes Unterfangen, lyrische Klavierstücke mit dem hier leicht gekürzten Messtext der Missa Carminum in einer kompositionstechnischen Mischung aus Parodie, Arrangement und Kontrafaktur zusammenzufügen. Herausgekommen ist aber eine Metamorphose und Synthese, die erstaunt und fasziniert. Der Charakter der verwendeten lyrisch-expressiven Charakterstücke Janáceks aus seinem zwischen 1901 und 1911 komponierten Zyklus Auf verwachsenem Pfade für Klavier/Harmonium bleibt erhalten und verwandelt sich gleichzeitig in eine religiöse Dimension.
 	Das Kyrie, kombiniert mit der Nr. 1 Unsere Abende, drückt nach einem expressiven Chorbeginn (mit übermäßigen Dreiklängen, Medianten und einer neapolitanischen Wendung) das Schwanken zwischen Trauer und Hoffnung im raschen Wechsel des Tongeschlechts (cis-Moll/Dur) aus. Das Gloria nimmt sein Tonmaterial aus dem hymnischen Zwischenteil der Nr. 10 des Zyklus. Das Bonae voluntatis überrascht durch fantasievoll eingesetzte Modulationen und bietet dadurch interessante Klangfarben, die über das Original hinausgehen. Beim Sanctus wird das Gute Nacht der Nr. 7 in einen Hymnus verwandelt, der in die überirdische Transzendenz führt. Dabei variiert Poos mehr und mehr die für Janácek typische wiegende Rhythmik der Sechzehntel bis zu einem hymnischen Chorsatz, der von Ostinatomotiven der Instrumente umrahmt wird.
 	Das Credo fehlt, dafür gibt es als vierten Satz ein zart schwebendes Ave Maria  Nr. 4 Die Friedeker Mutter Gottes. Das Virgo Jesse floruit spielt sich in den Modulationen des hier solistisch eingesetzten Klavierparts ab. Das Agnus Dei, Nr. 2 aus Paralipomena von 1911, erinnert in Charakter und Gestus an das Agnus Dei aus Rossinis Messe Solennelle. Die Klarinette übernimmt die freie Ornamentik des Klavieroriginals, während der Chorsatz von der prägnanten punktierten Rhythmik bestimmt wird. Für Poos wie für Janácek ist die Dissonanz Ausdruck der Heimatlosigkeit des Menschen, die ihre Erlösung im tonalen Pendant der Konsonanz findet. So endet das Dona pacem in schlichtem C-Dur.
 	Die Instrumentalstimmen sind durchweg gut spielbar. Die Klarinette ist in C notiert (auch in der Stimme). Der Violinpart ist an einigen Stellen zweistimmig. Der Klaviersatz ist sehr transparent und nahe am Original. Der Chorklang wird durch die Instrumente unterstützt, aber nie zugedeckt. Ein instruktives, gedanklich anspruchsvolles Vorwort von Heinrich Poos ergänzt diese sehr gute, übersichtlich gesetzte Ausgabe.
 	Christoph J. Keller


            
            
            