Werke von Thomas Mencken, Richard Wagner, Friedrich von Flotow und anderen
Mecklenburg  450 Jahre Kammermusik
 	Der Begriff der Kammermusik war seit der Mitte des 16. Jahrhunderts mehrfach Deutungsänderungen unterworfen, und so kann ein ambitioniertes Projekt, das tatsächlich 450 Jahre Kammermusik in Mecklenburg oder anderswo abdecken will, bei Beschränkung auf einen einzigen Klangkörper vermutlich fast automatisch innerhalb kürzester Zeit in Erklärungsnot geraten. Doch gelingt es dem Demmler Quartett wider Erwarten ausgesprochen gut, auch Musik des Jahres 1588 zu interpretieren  Thomas Menckens Fantasia für zwei und vier Stimmen. Mencken wurde 1550 in Schwerin geboren und war hier eine Zeitlang Hofkapellmeister. Durch Verzicht auf Vibrato und feine dynamische Ausarbeitung gelingt eine überzeugende Interpretation des Werks.
 	Leider wird dieser Ansatz bei dem selten zu hörenden 1775 entstandenen Streichquartett A-Dur op. 2 Nr. 1 von Antonio Rosetti (Anton Rößler oder Rösler), der eine Zeitlang als Kontrabassist in der Schweriner Hofkapelle tätig war, nicht fortgeführt  hier hört man eine frische, aber keine neuen Perspektiven eröffnende Interpretation, wie man sie auch schon vor vierzig Jahren hätte hören können; insgesamt gutes Zusammenspiel, aber keine überragende Deutung.
 	Das erst vor einiger Zeit veröffentlichte C-Dur-Quartett (siehe die Besprechung in das Orchester 12/2011, S. 74 des 1812 in Mecklenburg geborenen Friedrich von Flotow ist wahrscheinlich der Höhepunkt der CD: Das Werk, das stilistisch neben Schubert und Mendelssohn gut bestehen kann, mit zahlreichen durchaus interessanten Wendungen, überzeugt durch sich selbst, nicht zuletzt weil in vielen kleinen Ecken das Demmler Quartett nicht ganz exakt auf den Punkt musiziert. Es gibt dünne Spitzentöne, es gibt minimale Tonunsauberkeiten, gerade in extremeren Lagen, die zwar den Gesamteindruck nicht nachhaltig stören, doch die vorliegende Einspielung nicht zur Referenz machen können.
 	Jörg Ulrich Krahs Fantasia für Streichquartett aus den Jahren 2006/07 komplettiert die CD. Durch unterschiedlichste Spieltechniken wird hier im Grunde zurückgespannt zu Menckens Komposition: ein sehr überzeugender und auch musikalisch anspruchsvoller und interessanter Abschluss.
 	Einziger Fremdkörper auf der CD ist Reinhard Lipperts Transkription von Richard Wagners Im Treibhaus aus den Wesendonck-Liedern  weder dramaturgisch noch interpretatorisch überzeugend. Warum man stattdessen nicht einen weiteren wichtigen Mecklenburger oder in Mecklenburg tätigen Komponisten in Erwägung gezogen hat (etwa Karl Graedener, Claus Clauberg oder Wolfgang Jacobi), erläutert das in manchen Momenten allzu werbetechnisch formulierte Booklet nicht. So bleibt das Gesamtprojekt leider weder interpretatorisch noch dramaturgisch ganz überzeugend.
 	Jürgen Schaarwächter


            
            
            