Krenek, Ernst

Works for Violin

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Audite 95.666
erschienen in: das Orchester 07-08/2013 , Seite 78

Vier Werke, vier Zeiten: Die kammermusikalischen Kompositionen von Ernst Krenek (1900-1991) für Violine bzw. Klaviertrio oder Violine/ Klavier stammen von 1925 (Sonate Nr. 1 für Violine solo op. 33, eine Erst­einspielung übrigens), von 1929 (Triophantasie op. 63), von 1945 (Sonate für Violine und Klavier op. 99) und 1948 (Sonate Nr. 2 für Violine solo op. 115). Ist daraus eine straffe, plausible Entwicklungslinie abzulesen? Verweist das zuletzt geschriebene Stück vielleicht auf das erste? Die Antwort auf die beiden Fragen: ja und nein. Das hat Gründe.
Krenek wollte Neues, ohne ein Revolutionär zu sein. Er wollte sich von der Tradition des 19. Jahrhunderts abgrenzen, ohne sie total zu leugnen. Das heißt bei ihm: Jede Komposition wächst aus der Aktualität, aus der Stimmung, aus der Expressivität des Machens und des subjektiven Milieus heraus. Bedingt durch seinen Lebensweg verloren ihn Europas Musikpodien weitgehend aus den Augen, weshalb diese Konzertstücke für Violine (mit instrumentaler Beihilfe) noch heute ein sekundäres Randdasein fristen. Das jedoch ist schade, denn alle vier besitzen einen eigenen Reiz, ein eigenes Profil, ein fundiertes Programm.
Die erste Sonate wirkt mitreißend, stürmisch, sogar furios, von den wenigen kontemplativen Momenten abgesehen. Krenek legt das fast 35-mi­nütige Opus wie eine ausladende Sinfonie an – der Interpret muss dabei alle Register (technisch wie emotional) ziehen, um den Anforderungen der Partitur gerecht zu werden. Christoph Schickedanz ist der überlegene Gestalter, der die „Raserei“ auf den Saiten durchaus kontrolliert, aber eben heftig „in Szene“ setzt. Ja, in der Tat: Vieles an diesem Werk eines 24-Jährigen wirkt wie ein lebhaft agierendes Theater.
Die drei Kompositionen aus den 1940er Jahren, als er sich längst in den Staaten „akklimatisiert“ hatte, geben nur bedingt gewisse Echo-Reaktionen auf diese erste Sonate ab. Die Sonate für Violine und Klavier z.B. zeigt Kre­nek als Zwölftonmusiker auf Schönbergs Spuren, wobei er aber nicht akademisch oder ideologisch daherkommt. Die Musikalität treibt ihn (und das Werk) an. Bei der Triophantasie setzt er sich mit Liedern Franz Schuberts auseinander – ohne dass man es in jedem Takt, in jeder Note hören kann.
Und in der 2. Violinsonate (solo) gewinnt er – als ob er sich hier konkret an Europa, an Wien oder Berlin zurückerinnert – aus der alten Kont­ra­punkt-Ordnung und aus einem maskenhaften Humor persönliche Impulse. Das relativ kurze Stück, kompakt trotz der Dreisätzigkeit wirkend, basiert im Prinzip auf rhetorischen Elementen: Der Rede folgt eine Gegenrede usw. Das ist gekonnt, zwingend und nah am Zeitgeist. Auch hier kann Geiger Schickedanz seine Kompetenz in Klang und „Drive“ beweisen.
Seine beiden Partner in den anderen beiden Kompositionen – der Pianist Holger Spegg und der Cellist Mathias Beyer-Karlshoj – stehen dem Solisten und Primgeiger des Kreisler-Trios in nichts nach. Zusammengefasst: Sie haben sich in den Kosmos dieses „Weltbürgers“ eingehört und erweisen Ernst Krenek ihre Hochachtung. Krenek sollte weiter entdeckt werden. Er sollte der unwissenden Unklarheit, mit der wir ihm und seinem Schaffen meist begegnen, dadurch entrissen werden.
Jörg Loskill

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