Elsässer, Christian
Rise & Arrive
Wie beschreibt man Christian Elsässers Musik? Wie beschreibt man Stimmungen? Wie Schönheit? Wie beschreibt man eine Musik, die nicht einfach unterhält, sondern den Zuhörer mitnimmt auf eine Reise durch die Wolken? Eine Melodie lässt sich beschreiben. Arrangementtechniken auch. Stimmungen muss man erleben. Dass Christian Elsässer in der Lage ist, seine Stimmungen und Gefühle so in Musik zu fassen, dass man als Zuhörer glaubt, gleichsam mitzuschweben, weggetragen zu werden von der Kraft des Windes und der Wellen, das zeigt, welch große Kunst in diesem doch noch sehr jungen Menschen wirkt.
Rise & Arrive ist eine CD, die neben dem Eingangstitel Above All vor allem durch die seinem flugbegeisterten, aber leider zu früh verstorbenen Vater gewidmete dreisätzige Suite Tides geprägt ist. Stilistisch sicherlich in der Tradition Maria Schneiders und Bob Brookmeyers angesiedelt, erinnert die Stimmung des Werks doch auch an Kenny Wheelers Music for large and small Ensembles, was auch sehr schön in Axel Schlossers Solo über Rise & Arrive zu hören ist. Wobei man Stimmung auf keinen Fall mit Struktur oder Arrangementtechnik verwechseln darf. Da sind dann doch deutliche Unterschiede.
Man kann eigentlich gar nicht mehr von Bigbandmusik im traditionellen Sinn sprechen, zu sehr erinnert Christian Elsässer an die großen Formen romantischer Werke. Am ehesten versteht man die Musik der genannten Komponisten, wenn man zur gemeinsamen Quelle dieser neuen Tradition von Bigbandkomposition zurückblickt: Gil Evans. Zwar experimentierte schon Duke Ellington in den 1930er Jahren mit neuen, damals regelrecht unerhörten Klängen. In seinen Suiten schlug er von der Besetzung her erste Brücken in Richtung Klassik. Doch erst Gil Evans brachte die großen Formen, das Durchkomponierte, gar Symphonische in dieses Genre. Und schlug damit formal die Brücke zur klassischen Komposition im Bigbandbereich.
Das Besondere an Elsässers Werken ist der große Bogen, den er zu spannen versteht. Die Musik lässt sich und dem Zuhörer Zeit zum Atmen. Der Spannungsbogen wird immer wieder mit Bedacht neu mit Energie versorgt. So begibt man sich gerne mit auf die Reise durch zum Teil fast 20-minütige Kompositionen, ohne müde zu werden oder sich gar zu langweilen.
Ein großes Lob gilt auch den Musikern der hr-Bigband. Es braucht eben nicht nur instrumentale Fähigkeit, sondern vor allem musikalisches Verständnis, um ein solch groß angelegtes Werk so umzusetzen. Was dieses Ensemble hier zu Gehör bringt, ist vom Feinsten. Hier wird nichts durchgenudelt, nichts erscheint ungefähr. Diese Kompositionen haben Herz und Hirn, und ihre Interpretation entlässt den Hörer in der dank-
baren Stimmung, dabei gewesen zu sein. So bleibt zuletzt nur noch der Wunsch, noch öfter Zeuge solch großer Kunst zu werden.
Mathias Engl


