Müller, Iwan

Konzert Nr. 1 d-Moll

für Klarinette in B und Orchester, Klavierauszug

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Edition Ebenos, Aachen 2012
erschienen in: das Orchester 04/2013 , Seite 68

Iwan Müller, geboren 1786 im damaligen Reval in Estland (heute Tallinn), gestorben 1854 in Bückeburg, trieb sich zwischen technischer Vervollkommnung der Klarinette, ihrem virtuosen Gebrauch und dem Komponieren für dieses Instrument nach oben – eine echte Merfachbegabung auf dem klarinettistischen Feld. Am Ende setzte er seine 13-Klappen-Klarinette samt Abdeck- und Lochplatzierungverbesserungen durch. Er überzeugte eben nicht nur durch den instrumentenbauerischen Esprit, sondern auch durch das höchst virtuose Spiel auf seinem Instrument und seiner Kompositionsergebnisse. Die Entstehung des vorliegenden Konzerts Nr. 1 in d-Moll fällt in die Jahre von Müllers Bauverbesserungen.
Es wurde 1810 von ihm selbst in München aufgeführt.
Es stellt ob seiner großen Frequenzsprünge bei Ausschlag nach oben bis zum der B-Klarinette eigenen h”’ enorme klarinettistische Anforderungen. Philipp Zehm hat in seiner Neuausgabe nicht nur Atemstellen in den oft das Ende verweigernden Sechzehntelpassagen vorgeschlagen, sondern auch Alternativen bei einigen der hohen Stellen aufgezeigt. Überdies ergänzte er fehlende Artikulationsangaben und verbesserte Druckfehler aus dem Originaldruck.
Durch die treffend gewählten Erleichterungseingriffe wird dieses Werk auch interessant für „Jugend-musiziert“-Aspiranten im oberen Landespreisträger-Segment, für Klarinetten-Studierende wie auch für reife, bewegungsanimierte Schüler von Musikschulen. Der oberste Schwierigkeitsgrad 5 für das unveränderte Solo-Original könnte so auf tendenziell 4 abgemildert sein. Der pädagogische Impetus dieser Klavierauszug-Fassung ist überdies auszumachen in den deutlich niedrigeren technischen Anforderungen an den Pianisten. Ein auch klavieristisch einigermaßen versierter Lehrer für Klarinette könnte im Pianopart studierpraktisch gut mitmischen. Diese Zehm-Ausgabe kann also hohe künstlerische Ansprüche an das Soloinstrument wie auch ein pädagogisches Projekt auf beachtlichem Niveau bedienen.
Der Eingangssatz im Moderato steigt im Solopart gleich ein mit einer „Präsentier“-Dezime zum g”’ und beinhaltet viele, oft mit Prallern und Doppelschlägen versehene Sechzehntel- und Triolenpassagen. Der Andantesatz wirkt zunächst ein wenig wie ein tempogedrängt verwischter Anklang an Mozarts berühmten Konzertmittelsatz, ergeht sich dann auch in Ausschmückungen mittels kleiner Werte. Nach vorheriger Kadenzbrücke gleiten Synkopenkopf und Themenanschluss des dritten Satzes – Allegretto, Tempo di Polacca – zunächst variantenhaft, später verselbstständigt, in virtuose Strecken, dabei den Dreier zum Teil in gebundene wie gestoßene Sextolen unterteilend – für Doppelzunge etc. prädestiniert.
Virtuose Kompositionen sind oft der Gefahr ausgesetzt, ins Ungleichgewicht aus der Wirkung von mehr oder weniger rasanten Geschwindigkeiten und musikalischer Substanz zu fallen, meist ins Mechanistische abzurutschen. Iwan Müllers Konzert Nr. 1 in d-Moll bleibt mit einem musikantisch-musikalischen Schwerpunkt in der Balance. Ein Werk zum Spaß bei schnellen Fingern und flinker Zunge, beides gut koordiniert, berückende Höhe nicht vergessend!
Maximilian Schnurrer

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