Gallo, Domenico
Zwölf Triosonaten
für Zwei Violinen und Basso Continuo vormals Gio. Batt.a Pergolese. zugeschrieben, Partitur und Stimmen
Was von außen zunächst nach einem unbekannten Werk eines obskuren Komponisten des italienischen Spätbarock aussieht, wird jeder Musiker beim Aufschlagen der ersten Seite wiedererkennen: Es handelt sich um die Vorlage und Inspiration für sieben Sätze von Igor Strawinskys “Pulcinella”. Die Triosonaten wurden seit der Erstveröffentlichung 1770/71 lange Zeit Giovanni Battista Pergolesi zugeschrieben, obwohl bereits Charles Burney Zweifel an der Autorschaft geäußert hatte. Auch Strawinsky unterlag noch diesem Irrtum, als er sich im Auftrag Diaghilews mit Pergolesis Musik beschäftigte. Erst in den 1970er Jahren gelang der schlüssige Nachweis, dass die Sonaten aus der Feder des venezianischen Bratschers und Komponisten Domenico Gallo (geboren um 1730, gestorben zwischen 1792 und 1796) stammen, dem nun der historische Irrtum und Strawinskys Genialität zur Unsterblichkeit verholfen haben.
Die dreisätzigen Werke aus der Zeit zwischen 1750 und 1760 zeichnen sich durch eine reizvolle Stilmischung aus: Polyfone Schreibweise in der Tradition der Corellischen Triosonaten steht einem vorausdeutenden, eingängigen, melodiösen Stil gegenüber, der die Zuschreibung an Pergolesi ebenso wie Strawinskys Faszination plausibel erscheinen lässt. Technisch sind die Werke anspruchslos und man kann davon ausgehen, dass sie aufgrund ihrer kompositorischen Attraktivität und besonders aufgrund des Wiedererkennungswerts verstärkt ihren Weg in barocke Konzertprogramme finden werden.
Die kritische Ausgabe von Klaus Peter Diller ersetzt jetzt endlich die Faksimile-Ausgabe, die bisher als einzig verlässliches Aufführungsmaterial der gesamten zwölf Sonaten zur Verfügung stand. Musiker werden dankbar sein für den schönen, großzügigen Druck, der bei der Durchsicht nur einen einzigen Fehler aufwies (Vl. I, Son. 12/I, T. 172). Auch die Wendestellen sind klug gesetzt nur in der ersten Violinstimme der Sonate hätte eine Leerseite vor S. 15 eine zu knapp bemessene Blätterstelle im ersten Satz der sechsten Sonate erspart. Seltsam ist nur, dass die Taktzahlen in allen Sätzen jeder Sonate durchnummeriert sind.
So könnte man diese schöne Ausgabe ohne Vorbehalte empfehlen, wäre da nicht der Preis. Angesichts der Investitionskosten für eine solche Ausgabe mögen 84 Euro für die 105-seitige Partitur und die drei jeweils etwa 35-seitigen Stimmen vielleicht gerechtfertigt sein. Aber wer außer einer Handvoll Spezialisten und einigen Bibliotheken wird sich diese Ausgabe bei diesem Preis wirklich anschaffen? Die Verlage beklagen sich über illegale Kopien. Jedoch welcher Musiker, der nur eine einzige der Sonaten selbst aufführen oder mit seinen Schülern einstudieren möchte, wird bereit sein, eine Summe zu zahlen, die fast fünfmal so hoch ist wie der Durchschnittspreis verschiedener Ausgaben der 12 Triosonaten Corellis? Vielleicht hätte man einen größeren Käuferkreis durch eine Aufteilung der Ausgaben in Einzelausgaben erreicht. Völlig unwissenschaftlich, aber marktgerecht wäre auch eine zweibändige Ausgabe gewesen mit den sechs von Strawinsky benutzten Sonaten im ersten Band und den sechs anderen Sonaten im zweiten Band.
Martin Wulfhorst