Berg, Michael / Albrecht von Massow / Nina Noeske (Hg.)
Zwischen Macht und Freiheit
Neue Musik in der DDR, mit 2 CDs
Während die Neue Musik der zweiten Hälfte des jüngst vergangenen Jahrhunderts längst einer ausführlichen und sehr produktiven Diskussion unterzogen wird sofern sie auf der westlichen Seite der deutsch-deutschen Grenze entstanden ist , ist die Auseinandersetzung mit jener, die zeitgleich weiter im Osten entstanden ist, bisher eher eine periphere Erscheinung. Sie ist nicht nur mit methodischen Schwierigkeiten behaftet, weil die Musikwissenschaft das Beschreiben und Erklären von Wechselwirkungen zwischen politischen, sozialen, ästhetischen, musikalisch-strukturellen und schlicht organisatorischen Faktoren nicht gerade als eine zentrale Aufgabe pflegt, weil man mit der Verbindung musikalischer Kunstwerke und verurteilter Ideologie nicht umgehen kann.
Noch problematischer ist jedoch, wer sich dieser Auseinandersetzung annimmt. Zum einen tun dies in akribischen Forschungsarbeiten Nachwuchswissenschaftler, die damit das Risiko eingehen, in eine bestimmte Ecke abgeschoben zu werden; zum anderen so genannte gestandene Wissenschaftler, deren Dilemma darin besteht, dass sie in ihren Arbeiten hin und her gerissen sind zwischen Zeitzeugenschaft und dem Abstand, den der wissenschaftliche Blick erfordert. Kein Wunder, denn die Neue Musik, von der hier die Rede ist, ist vielfach noch weniger bekannt als die von der anderen Seite.
Daher ist der Sachverhalt nicht stark genug zu würdigen, dass sich am Institut für Musikwissenschaft Weimar-Jena Forscher unterschiedlicher geografischer Herkunft zusammengefunden haben, um dieses Problem einer intensiveren wissenschaftlichen Beleuchtung zuzuführen. Die Tagung Musik Macht Perspektiven, die 2001 unterschiedliche Theoretiker und Komponisten, Zeitzeugen und Außenbeobachter nach Weimar führte, und deren Resultat der Band Zwischen Macht und Freiheit ist, ist Zeugnis davon. Trotzdem krankt auch dieses Buch an besagtem Problem, gleichzeitig und vielfach ohne Trennung Dokumente zusammentragen und theoretisieren zu wollen. Dies gelingt vor allem dann, wenn Innen- und Außenperspektive, Theorie und Praxis sich treffen; wie in der Konstellation, die die Auseinandersetzung Albrecht von Massows mit Friedrich Goldmann bringt oder in den Beiträgen von Nina Noeske, Lars Klingberg und Daniel zur Weihen, die von solider wissenschaftlicher Arbeit zeugen. Sie sind wesentlicher Bestandteil in einem Mosaik, das selbst zum Dokument wird, zumal die Orientierung an der gesprochenen Sprache von Referaten und Diskussionen die Lektüre nicht immer ganz leicht macht. Trotzdem ist die Frage, wer warum in Weimar sprach, nicht immer ganz klar zu beantworten.
Zu einem ganz besonderen Dokument wird dieses Buch vor allem dadurch, dass zwei CDs mit diversen Werken beigegeben sind.
Tatjana Böhme-Mehner


