Dieter Mack
Zwischen den Kulturen
Schriften und Vorträge zur Musik 1983–2021
Musik, die keine Grenzen kennt, die verschiedene kulturelle Einflüsse aufnimmt und etwas Universelles schafft: Dafür steht Dieter Mack, Komponist und Musikethnologe, der sich viele Jahrzehnte lang intensiv mit europäischer und fernöstlicher Musik auseinandergesetzt hat. Seine Aufsätze, Essays und Vorträge wurden nun in einem Band zusammengefasst, der einen tiefen Einblick in die musikalische Welt von Dieter Mack gewährt.
Mack erzählt von seinen Erfahrungen in Indonesien, wo er außereuropäische Tonsysteme schätzen lernte und begriff, was musikalische Identität bedeutet: „Plötzlich wurde ich mir meiner Begrenztheit bewusst, und diese Erfahrung sehe ich bis heute als etwas äußerst Positives.“ Er macht sich Gedanken über den Konsum von Kunst, vergleicht deutsche und fernöstliche Musiktraditionen und betont die verbindende Kraft der Musik: „Wenn es einer Musik gelingt, u. a. Faszination und Magie, aber auch Nachdenklichkeit und positive Lebensenergie auszulösen, so kann die daraus entstehende Lebenskraft viel mehr zur Bewältigung des Unbills dieser Welt beitragen, vor allem das so wichtige Verständnis für das Andersartige, Fremde.“ Er erläutert seine Vorgehensweise beim Komponieren und die Grundzüge seiner harmonischen Sprache und stellt auch schon mal eine Klaviersonate von Mozart einem balinesischen Musikstück namens Wilet Mayura von Wayan Sinti und Nyoman Rembang gegenüber.
Es ist ein Streifzug durch fast 40 Jahre Mack’scher Musikgeschichte, mit zahlreichen Notenbeispielen zur Veranschaulichung, anhand derer Mack etwa die Strukturen indonesischer Musik erläutert oder den Sprachrhythmus von Frank Zappa untersucht. Freilich gestaltet sich das alles streckenweise etwas sperrig, fordert den Leser:innen ein hohes Maß an Aufmerksamkeit, Verständnis für Harmonielehre sowie Kenntnisse der englischen Sprache ab. Wer sich davon nicht abschrecken lässt, wird mit einer Fülle an Informationen belohnt: Mack überlegt, ob man Musik und Kultur unterrichten kann, wie politisch Musik sein darf und er verleiht seinem Ärger über christliche Missionare Ausdruck, die meist wenig Sensibilität für andere Kulturen zeigten.
Vor allem aber will Mack deutlich machen, wie bereichernd der Blick über den eigenen Tellerrand sein kann – auch wenn das nicht immer ganz einfach zu verwirklichen ist: Ein Konzert mit zeitgenössischer indonesischer Musik bei den Donaueschinger Musiktagen 2004 sorgte für heftige Kritik. Es hatten sich hier, räsonniert Mack, „zwei unterschiedliche Sphären getroffen, […] die aber nicht so recht gegenseitig miteinander umgehen konnten“. Für Mack kein Grund zur Sorge: „Die Zeit dazu war noch nicht reif genug.“ Sie wird es zweifellos früher oder später sein.
Irene Binal