Krausser, Helmut
Zwei ungleiche Rivalen
Puccini und Franchetti
Wie kaum eine andere musikalische Gattung bietet die Oper Raum für große Gefühle. Der 1964 geborene Helmut Krausser, der durch zum Teil verfilmte Romane wie Fette Welt und Der große Bagarozy bekannt geworden ist, hat ein besonderes Faible für diese Gattung. Mit der Biografie Die kleinen Gärten des Maestro Puccini (2008), die auf zehn recherchierten Lebensjahren des Komponisten beruht, wurde diese Vorliebe manifest, mit Zwei ungleiche Rivalen bewegt er sich erneut in der Welt der Oper, genauer gesagt: ihrer Komponisten. Krausser verfolgt nun den Aspekt von Puccinis Biografie weiter: das Verhältnis zu dem Komponisten Alberto Franchetti. Ausdrücklich als Sachbuch bezeichnet und ohne den Zierrat so mancher Künstlerbiografien auskommend, liest sich die stilistisch prägnant geschriebene Geschichte des Komponisten Giacomo Puccini und seines Zeitgenossen und Rivalen Franchetti spannender als mancher Roman. Sie könnte selbst die Vorlage für ein Libretto liefern, in dem Macht, Eifersucht und Intrigen reichlich Raum haben.
Zwei Komponisten aus ungleichen Verhältnissen, Puccini bettelarm, Franchetti steinreich, konkurrieren zeit ihres Lebens, teilweise mit der Unterstützung ein und desselben Librettisten und angefeuert von verlegerischer Konkurrenz um den Rang des angesehensten und besten Opernkomponisten. Beider Leben könnte auch heutzutage die Klatschspalten der Yellow Press unterhaltsam füllen. Nicht nur ihr ausschweifendes und verworrenes Liebesgebaren, auch ihre Vorliebe für Automobile, ihr Auftreten in der Öffentlichkeit, besonders aber seltsame Ticks des Millionärssohns Franchetti, der gerne väterliches Vermögen in den Wind schoss, sich auch in Hotelzimmern die passenden Gerichte für seinen Feinschmeckergaumen kochte und den ersten Hundefriedhof gründete, machen aus dieser Beschreibung eines Kampfes einen wunderbaren Schmöker. Etwas hochtrabend wirken auf den ersten Blick die gesetzten Kapitelüberschriften, die kanonisch gewordene Texte wie Der Tod in Venedig oder Lehrjahre des Herzens aufgreifen. In der Durchführung der einzelnen Kapitel wirken sie allerdings stimmig.
Wo Puccini, der zu Lebzeiten zunächst Schwierigkeiten hatte, Anerkennung zu finden, heute seinen unantastbaren Platz im Opernolymp innehat, ist der anfangs zu Lebzeiten gefeierte Franchetti weitgehend vergessen. Versuche, seine Musik diesem Vergessen zu entreißen, wie etwa die Wiederaufführung der Oper Germania im Jahr 2006 an der Deutschen Oper in Berlin, scheiterten. Krausser ist, wie er im Nachwort betont, an Franchettis Wiederentdeckung gelegen. Die Sorgfalt, mit der er Details aus dem Leben des Komponisten zutage gefördert hat und den Versuch unternimmt, dessen Schaffen minutiös bis hin zu Inhaltsangaben der teilweise kruden, darin aber amüsanten Libretti zu beschreiben, belegen die Ernsthaftigkeit seines Unterfangens.
Überzeugt wie unterhalten bekommt man Lust, Franchettis Opern mit klingenden Namen wie Fior di Alpe oder Asrael zu hören. Mag man auch Kraussers These vom vergessenen Genie ungeprüft nur skeptisch teilen, könnte das Hören von Franchettis Musik auf alle Fälle ermöglichen, sich weiter hineinzudenken in diese spannungsreiche Zweierkonstellation.
Beate Tröger