Zeitgenössische Bläsermusik

Bernhard Rendel: Septett / Helge Jung: Triplum / Rolf Rudin: Ikonen / Erwin Amend: Miniaturen '91 / Karl-Heinz Barthel: Lustige Suite

Rubrik: CDs
Verlag/Label: aulos 66058
erschienen in: das Orchester 11/2004 , Seite 90

Wer sich, wie der pfälzische Trompeter Egbert Lewark, als notenschnüffelnde Wühlmaus betätigt und seine Fundstücke aufgeführt haben möchte, der greift auch diesbezüglich am besten zur Selbsthilfe. So kam es 1989 zur Gründung des Ensembles „La banda palatina“.
Zunächst mit Trouvaillen aus dem 18. Jahrhundert beschäftigt, bekam man bald Lust auf Neues. Der Trompeter sprach Komponisten an, die Gefallen an der Bläserbesetzung fanden, beflügelt von der Aussicht, ihre Stücke von so hervorragenden Interpreten gespielt zu hören. Auf diese Weise wurde die „pfälzische Kapelle“ zur Geburtshelferin zeitgenössischer Bläsermusik.
Offenbar dauerte es elf Jahre, bis sich ein CD-Label der 1993 auf Schloss Waldthausen bespielten Bänder der Banda erbarmte. Doch besser spät als nie, handelt es sich doch um ein Repertoire neuer Bläserkammermusik, dem der Publikumserfolg sicher sein dürfte – was ja heute nicht unbedingt mehr als Makel gilt.
Das besonders Interessante dabei: Es geht um Bläsermusik mit Cembalo. Warum? Weil die von Lewark aufgestöberten rund 20 Originalkompositionen für Trompete, Oboen und Fagotte dem Generalbasszeitalter entstammen, also der Mitwirkung eines Cembalos bedürfen, so dass die „Bandenmitglieder“ sich nach einem Cembalisten bzw. einer Cembalistin umsehen mussten. Ein Besetzungsschnörkel, den die Komponisten offenkundig mit Interesse wahrnahmen.
Die fünf hier vorgestellten Werke reichen stilistisch von unabhängigen Annäherungen an historische Vorbilder bis zur humorigen Tanzparodie: Musik, die sich nicht scheut, sublim zu unterhalten. Gespielt von Musikern, für die Ernsthaftigkeit und Spaß keine Eigenschaften sind, die einander ausschließen.
Das 1990 entstandene Septett von Bernhard Rendel, Preisträger der Pfälzischen Musikgesellschaft Ludwigshafen, orientiert sich in Form und Besetzung an Vorbildern des 18. Jahrhunderts (einschließlich der rezitativischen Cembalo-Überleitung vom ersten zum zweiten Hauptteil). Rendel empfiehlt sich als gewitzter Kontrapunktiker und schöpferischer Musikant, der neuen Wein in alte Schläuche gießt. Ideell steht er der Sing- und Spielmusiken Hindemiths nahe.
„More sophisticated“ klingt Triplum für Flöte, Fagott und Cembalo des 1943 geborenen Helge Jung, der unter anderem bei Richard Wagner-Régeny studierte: Ein Stück, das viel Hallraum braucht, spielt es doch mit wechselnden Positionen, sprich Entfernungen der drei Musiker zueinander. Die Noten der drei „Redenden“ verlaufen asynchron. Nach zwischenzeitlichem Einvernehmen treibt sie der Eigensinn wieder auseinander. Die Idee, drei standfeste Teile mit zwei Promenaden zu unterbrechen, erinnert an Mussorgskys Bilder einer Ausstellung.
Höchst originell erfunden sind die sieben betrachtenden Charakterbilder, die Rolf Rudin – Jahrgang 1961, Schüler von Hans-Ulrich Engelmann, Bertold Hummel und Heinz Winbeck – 1992/93 in seinen Zyklus Ikonen für Oboe, Trompete, Fagott und Cembalo eintrug. Auch diese „Reflexionen“ spielen mit räumlicher Nähe und Ferne wie auch mit wechselnder Präsenz, was schon allein an den Überschriften deutlich wird: Allein – Zu zweit – Gegenüber – Zusammen I – Unabhängig – Zusammen II – Nacheinander. Die Miniaturen ’91 für Oboe, Trompete, Fagott, Cembalo und Bongos des 1997 verstorbenen Frankfurter bzw. Baden-Badener Konzertmeisters und Streichquartett-Primarius Erwin Amend – rhythmische Vexierspiele mit abschließendem Quodlibet französischer Volkslieder – sind ebenfalls kleine Kostbarkeiten des neu gewonnenen Repertoires. Die ersprießliche Matinee endet mit einer Tanzsuite des ehemaligen Hauskomponisten am Mainzer Staatstheater, Karl-Heinz Barthel. Oboe, Trompete, Fagott, Cembalo und Schlagzeug drehen und necken sich im Polkarhythmus, Tangoschritt und Walzerschwung – aus lauter Spaß an der Freude.
Lutz Lesle