Funke, Klaus

Zeit für Unsterblichkeit

Ein Rachmaninow-Roman

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Faber & Faber, Leipzig 2008
erschienen in: das Orchester 02/2009 , Seite 61

„Ein farbenreiches Panorama von Jahrzehnten des Umbruchs, in denen sich ein wundersames Musikerschicksal zur Unsterblichkeit hocharbeitet“, verspricht der in Dresden lebende Romancier Klaus Funke in seinem Rachmaninow-Roman.
Der erzählte Zeitraum umfasst die ersten 35 Jahre des 1873 geborenen Komponisten. Drei Kapitel zu Kindheit, Jugend und Entwicklung stehen im Wechsel mit drei Kapiteln über Rachmaninows Dresdener Zeit, 1906 bis 1909. Vorbild für diese Struktur ist – so Funke – der Anfang des populären zweiten Klavierkonzerts, das bei sich steigernder Anlage immer wieder zu einem Kern zurückkehrt. Näher als dieses geistige Konstrukt sowie die proklamierte Bedeutung Dresdens für Rachmaninow liegt jedoch die Vermutung, dass dieser Spielort eine Präferenz des Autors ist.
Leider führen der Fokus auf Dresden, die zeitliche Beschränkung auf die erste Hälfte des 1943 verstorbenen Komponisten und auch die inhaltliche Auswahl innerhalb dieses Rahmens zu einem schiefen biografischen Bild. Abgesehen davon, dass die Zeit nach Dresden gänzlich ausgespart ist – die Rückkehr nach Moskau bis zur Revolution, die für das intendierte Bild des Umbruchs bedeutsam wäre, und die Zeit in den USA –, erscheint auch die geschilderte Zeit lückenhaft und fragwürdig akzentuiert. Vor der übermächtig herausgestellten Kompositionskrise in Dresden und der unbeholfenen, fast linkisch gezeichneten Persönlichkeit verblasst die Tatsache, dass Rachmaninow als Pianist, Komponist und Dirigent bereits auf große Erfolge zurückblicken konnte.
Die angeführten Fakten gehen vielfach in einer sprachlich altmodischen und überzeichneten Bilderflut unter. Fast wirkt es einfältig, wenn beispielsweise scheinbar derbe, bäurische Kerle, die sich eben noch einen Furcht einflößenden Anschein gaben, nun vor Rührung anfangen zu schluchzen (und karierte Taschentücher gezückt werden), da der Konkurrent im Gesangswettbewerb gar so schön singt. Die poetischen Bilder funktionieren gelegentlich, so z. B. die emotionale Schilderung vom Fällen der Tanne als Sinnbild für den Niedergang des Anwesens bzw. des familiären Zusammenhalts. In den meisten Fällen berühren die Bilder sowie die Sprache jedoch unangenehm pathetisch.
Funke ist sich sehr wohl bewusst, dass das Verfassen eines Künstlerromans eine Gratwanderung ist. Zu berücksichtigen ist zudem, dass der Autor erklärtermaßen keine Biografie vorlegt, sondern einen Roman. Dieser lässt selbstverständlich den Spielraum für jegliche inhaltliche und sprachliche Gestalt. Wer bereit ist, sich darauf einzulassen, mag bei der Lektüre Unterhaltung und auch einen gewissen Grad an Information finden; wer jedoch vorrangig daran interessiert ist, einigermaßen konzentrierte Fakten aus Rachmaninows Leben zu erfahren, sollte von diesem Buch die Finger lassen.
Astrid Bernicke