Zhu Shaoyu
You and me — A Peking Opera
China National Centre for the Performing Arts, Peking
Der Musiktheaterfreund besucht auf einer China-Reise natürlich neugierig in einem der vielen neuen, architektonisch spektakulären Zentren für Darstellende Künste eine echte Peking-Oper. Prompt muss er sich zusätzlich informieren, ob er eine Kun‑, Sichuan‑, Qin‑, Ping- oder Yu-Oper besucht und wird dennoch befremdet erstaunt sein, wie ritualisiert festgelegt Figuren, Masken, Kostüme, Gesten und Bewegungen sind, wie wenig er letztlich versteht.
Da in diesen Opernhäusern inzwischen viele Werke des europäischen Repertoires bis hin zu Wagners Ring neu interpretiert werden, fühlen sich herausragende chinesische Künstler herausgefordert, ihre eigene Operntradition aus den als allzu streng empfundenen Formfesseln zu lösen. Wenn also ein international renommierter Filmregisseur wie Zhang Yimou (u.a. Rotes Kornfeld, House of Flying Daggers) ins Pekinger National Center for Performing Arts geholt wird, um die neue Oper Zhu Shaoyus, eines anerkannten einheimischen Komponisten und Dirigenten, zu inszenieren wenn die Aufzeichnung dieser Produktion gezielt in den westlichen Vertrieb aufgenommen wird , dann ist Besonderes zu erwarten.
Geblieben ist zunächst das Orchester mit den klassischen chinesischen Instrumenten, also dem raffiniert abgestuften Schlagwerk von Holzstäben über Glocken und Gong hin zu Trommeln, die auch Dialoge rhythmisch strukturieren. In den Zwischenspielen der fünf Akte und beim Gesang kommen die ebenfalls typischen Saiten- und Blasinstrumente hinzu vom Bildschnitt immer wieder eingeblendet. Ergebnis ist ein für westliche Ohren dann auch typischer China-Opern-Klang mit pentatonischen Linien. Vokal dominieren hohe Stimmlagen, auch bei den Männern und in den Chören. Erzählt wird eine Adaption der uralten Zuo-Legende Lord Zheng besiegt Duan in Yan, in der nach Aufstand, Sieg und Festmahl vor allem die Versöhnung von Mutter und Sohn, also der Wert der Familie und die Kindesliebe im Finale dominieren womöglich eine in China moderne und sogar politische Aussage.
Szenisch baut Regisseur Yimou auf der aus den Anfängen der Gattung überlieferten Dekoration von zwei roten Stühlen und einem roten Tisch auf. Zeitgenössisch modern werden deren Umrisse dann aber per Projektion und vergrößerten Balkenkonstruktionen Szenenbeifall zu Palastmauern, Toren und Sälen mit unterschiedlichen Eingängen verändert.
Rollentypische, fast maskenhafte Gesichtsmalerei bis zur Entindividualisierung, faszinierende Kostümpracht und ritualisierte Personenführung sind auch in diesem Versuch der Verschmelzung von Tradition und Moderne geblieben. Folge: Auch wenn der westliche Opernfreund zuerst die Dokumentation mit ihren Erläuterungen ansieht trotz deutscher Untertitel bleibt der Eindruck einer reizvollen Fremdheit.
Wolf-Dieter Peter