Werke von Fritz Kreisler, Maurice Ravel, Ernst Toch u. a.
#wunderkammer
Dorothea Schupelius (Violine), Jelizaveta Vasiljeva (Klavier)
Es sei ihre Absicht, so die Geigerin Dorothea Schupelius und die Pianistin Jelizaveta Vasiljeva, anhand dieses CD-Projekts den Einfluss von technologischen Medien auf Musik aufzudecken. In den Mittelpunkt rücken die beiden Interpretinnen daher einige Werke, deren Geschichte auf irgendeine Weise mit den sich im Laufe des 20. Jahrhunderts entwickelnden Medien Schallplatte, Rundfunk und Film verknüpft ist. Dieser Kontext mag darin bestehen, dass die Stücke, wie Fritz Kreislers Andantino, nachweislich im Radio erklangen oder dass sie, wie Maurice Ravels Violinsonate Nr. 2, durch die Rezeption von Grammofonaufnahmen mit afroamerikanischer Musik beeinflusst wurden. Dass all diese Werke und noch viel mehr heute in der „Wunderkammer“ Internet in Gleichzeitigkeit nebeneinander existieren und jederzeit abrufbar sind, lässt die Welt der digitalen Musikdistribution wiederum als logische Konsequenz der vorangegangenen medientechnologischen Entwicklungen erscheinen und dient zudem als Legitimation für den Titel der CD und die stilistische Vielseitigkeit der präsentierten Kompositionen.
Dass die Produktion selbst nach mehrmaligem Anhören nicht restlos überzeugt, mag einerseits daran liegen, dass sich das dem CD-Konzept zugrundeliegende gedankliche Konstrukt beim Hören nicht wirklich nachvollziehen lässt. Es liegt andererseits aber auch an der Unentschiedenheit mancher interpretatorischen Entscheidung: So bietet das Duo mit Kreislers kompositorisch wie musikalisch recht unspektakulärem Andantino einen denkbar schwachen, geradezu langweiligen Auftakt, dem eine ruhige, aufgrund übermäßiger Vorsicht in der dynamischen Formung auch unbestimmte und in der Gesamtheit meist ereignislos anmutende Umsetzung von Ravels Violinsonate folgt. Erst mit der Gegenüberstellung von Ernst Tochs Violinsonate Nr. 2 op. 44 und der stilistisch dazu kontrastierenden Much Ado about Nothing-Suite von Korngold gelingt es Schupelius und Vasiljeva, der CD ein mitreißendes Gravitationszentrum zu verleihen – die abwechslungsreiche Mischung aus Expressivität und Introvertiertheit, mit der Tochs Sonate gezeichnet wird, findet ihr adäquates Gegenstück in den vier Korngold’schen Sätzen, die von den Interpretinnen zu filigranen, miniaturartigen „Hörbildern“ geformt werden.
Kurt Weills bekannte Tango-Habanera Youkali und das Liebes-Thema aus Ennio Morricones historisch doch sehr weit von den übrigen Stücken entfernter Musik zu Cinema Paradiso bilden hierzu die Nachhut. Und während Weills Stück die Fähigkeiten beider Musikerinnen zur abwechslungsreichen klanglichen Gestaltung der Miniatur unterstreicht, wird Morricones Stück aufgrund der seltsam schluchzenden, gegen die melodische Struktur gerichteten Ausdruckslagenwechsel zu einem eher fragwürdigen Schlusspunkt.
Stefan Drees