Werke von Daniel Schnyder und Sergey Tsoy

Worlds Beyond/A Trip Down Memory Lane

Los Alegres

Rubrik: Rezension
erschienen in: das Orchester 6/2024 , Seite 74

Was machen Orchestermusiker in ihrer Freizeit? Ganz offensichtlich Musik! Natürlich teilweise ganz andere als die, die sie in ihren Diensten in Theater und Konzertsaal spielen. Anja Bachmann, Anna Pyrozhkova, José Luis Gutiérrez, Alexis González, Michael Winkler und Sergey Tsoy hat es ganz offensichtlich der Jazz angetan, besonders in seiner swingenden und temporeichen Ausprägung. Dabei spielt offenbar weniger eine Rolle, ob die Kompositionen eher dem „E“ oder dem „U“ in der Musik entstammen – das Ensemble Los Alegres mit Musikern der Mittelsächsischen Philharmonie Freiberg setzt sich in beiden Umgebungen mit Virtuosität und Spielfreude durch.
Daniel Schnyders fünfsätzige Suite Worlds Beyond projiziert klassische Inspiration ins Jazz-Format. Ein gute Portion Swing, viel Technik für den rasanten Bebop und ein traumwandlerisch sicheres Zusammenspiel bringen hier die drei Protagonist:innen Anja Bachmann (Saxofon), Alexis González (Posaune) und José Luis Gutiérrez (Klavier) in eine Aufnahme ein, die der virtuosen Einspielung des Komponisten von vor einigen Jahren in nichts nachsteht. Ab und zu steuert Michael Winkler am Schlagzeug dezent weitere Konturen bei, doch gerade die schnellen Sätze glänzen durch instrumentale Perfektion, die in dieser Form insbesondere in Saxofon und Posaune ganz bestimmt nicht Grundvoraussetzung für den sinfonischen Orchesterdienst ist. Das fällt um so mehr ins Gewicht, als sich Daniel Schnyder nicht auf ein paar kurze Aphorismen à la Schulhoff oder Weill beschränkt, sondern seine musikalischen Gedanken ausformuliert. Los Alegres machen diese moderne, gut durchstrukturierte Kammermusik fern jeder Improvisation zu einem brillanten Ritt durch die Oktaven.
Ein wenig entspannter, musikalisch aber gleichermaßen blitzsauber geht es in der zweiten Suite auf dieser gut durchhörbar aufgenommenen CD zu. Es wird aber nicht nur vortrefflich musiziert im Freiberger Orchester, man komponiert dort auch – in Person von Sergey Tsoy, dem zweiten stellvertretenden Konzertmeister, der musikalische Erinnerungen an seine Studienzeit in den USA musikalisch in sieben kurzweilige Sätze mit dem Titel A Trip Down Memory Lane gefasst hat. Sergey Tsoys Opus 30 spielt souverän mit musikalischen Formen wie Cha-Cha-Cha oder Tango und bietet den jetzt fünf Instrumentalist:innen Raum zur swingenden Entfaltung. Die beiden Blasinstrumente setzen ihre brillante Darbietung aus dem vorangegangenen Werk fort, José Luis Gutiérrez spielt noch eine Spur präsenter und Anna Pyrozhkova wechselt mit ihrem Cello reaktionsschnell zwischen Solo und Rhythmusgruppe, die wiederum Michael Winkler souverän anführt.
Daniel Knödler