Krzysztof Meyer

Works for violin and piano / Two solo violin sonatas

Kolja Lessing (Violine), Rainer Maria Klaas (Klavier)

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: EDA
erschienen in: das Orchester 01/2024 , Seite 71

Auch wenn die Werke für Violine und Klavier und die beiden Solo-Violinsonaten des polnischen Komponisten Krzysztof Meyer, gemessen an Zahl und Gewicht seines Gesamtschaffens, gleichsam ein Mik-ron seiner Lebensleistung ausmachen, als Dokument einer warmherzigen Freundschaft zwischen Tonschöpfer und Interpret sucht die neueste Scheibe des entdeckerischen Labels eda records ihresgleichen.
Eine Zuneigung, die sich in den Tonaufnahmen allerorten manifestiert. Doch damit nicht genug. Der zusätzliche Reiz dieser Edition zum 80. Geburtstag des Komponisten: Das Beiheft wartet einmal nicht mit Kommentaren eines unbeteiligten Skribenten auf. Vielmehr antwortet der Komponist – seit Jahrzehnten in Deutschland lebend, unausgesetzt schaffend und viele Jahre lehrend – dem vielerorts konzertierenden, zudem lehrenden und forschenden Geigenvirtuosen unverblümt auf dessen Fragen zu den hier eingespielten Werken.
Wobei sich manch kundige Vermutung des promovierten Violinisten Kolja Lessing auf entwaffnende Art als Trugschluss erweist, wenn Meyer ihm beispielsweise offenbart, für seine erste Violinsonate op. 36 (1975) habe sein eingehendes Studium der Solo-Sonate von Béla Bartók (1944) keine Rolle gespielt. „Damals habe ich vor allem intensiv an meiner eigenen Sprache gearbeitet. Es war noch ein frühes Stadium meines Nachdenkens über die Organisation von Tonhöhe, Dramatik, Farbmöglichkeiten der Geige usw.“
Oder: Der Titel Capriccio interrotto op. 93 für Violine und Klavier (2000) – bei dessen hinreißender Darbietung sich Lessing und sein Klavierpartner Rainer Maria Klaas als Interpreten gleichen Ranges erweisen – habe weder mit Debussys Prélude, La sérénade interrompue noch mit dem Intermezzo interrotto aus Bartóks Orchesterkonzert zu tun. Er beziehe sich einzig und allein „auf die Form des Stücks und die Verwendung der arithmetischen Sequenzen“, die er in einem gewissen Moment habe unterbrechen müssen.
Als „besonderes Geschenk unserer Freundschaft“ würdigt Lessing die ihm 2018 zugeeignete Sonate Nr. 2 für Violine solo op. 133. Die Antwort auf dessen Frage, welche Ideen ihn bei der Komposition geleitet hätten, bleibt Meyer ihm allerdings in gewisser Weise schuldig, wenn er bekennt, er habe sie geschrieben „in der Hoffnung, dass sie dir Freude bereiten wird.“ Eine Hoffnung, die sich jedenfalls überbordend erfüllt hat. Kann man sich doch kaum satthören an Lessings Darbietung ihrer drei, mit Poco rubato, Feroce und Lento – Feroce überschriebenen Sätze, die jeweils einem Zellkern aus kleiner Terz und kleiner Sekunde zu entwachsen scheinen. Eine epische Trilogie, aus Besonnenheit, Wildheit und Langmut gefügt. Bekenntnisse einer schönen Seele.
Lustweckende Zugabe: Meyers Miniaturen-Zyklus Geigen-Krämchen für Violine und Klavier, 1981 während seines Hamburger Senats-Stipendiums für sein damals achtjähriges Söhnchen verfasst.
Lutz Lesle