Bach, Johann Sebastian / Heinz Holliger / Carl Philipp Emmanuel Bach

Works for Flute solo

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Genuin Gen 88129
erschienen in: das Orchester 04/2009 , Seite 63

Ein Meister des Flötenspiels, der die barocke Traversflöte und die moderne Böhm-Flöte gleichermaßen perfekt beherrscht, spielt Meisterwerke genialer Komponisten. So könnte man den Inhalt dieser CD zusammenfassen. Wie Felix Renggli, Professor für Flöte an der Musikhochschule in Freiburg, im sehr schönen und informativen Booklet erklärt, war die Idee dieser Einspielung, die Werke Holligers und Bachs nebeneinander zu stellen, um die Gemeinsamkeiten und Verbindungen aufzuzeigen. Erstaunlich, wie nahtlos sich z.B. Carl Philipp Emmanuel Bachs Solosonate an Holligers “(é)cri(t)” anschließt.
In Johann Sebastian Bachs Solo pour la flute traversière, wahrscheinlich für den französischen Virtuosen Pierre-Gabriel Buffardin geschrieben, beeindruckt immer wieder die Meisterschaft Bachs, mit einem Melodie­instrument imaginäre Zwei- und Dreistimmigkeit zu erzeugen. Wenn dazu noch auf dem originalen Instrumentarium gespielt wird, kommen eben besonders gut die harmonischen Veränderungen und chromatischen Färbungen zur Geltung. Überzeugend gelingen Renggli die geschmackvollen Verzierungen in der Sarabande, überraschend sind allerdings die Tonveränderungen in der Bourrée anglaise. Auch in Carl Philipp Emmanuel Bachs Solosonate demonstriert Renggli die hohe Kunst der Verzierung und zeigt die große dynamische Spannbreite dieser emotionalen Musik.
Von Heinz Holliger (*1939), dem phänomenalen Oboisten, Dirigenten und Komponisten sind vier Hauptwerke zu hören: “(t)air(e)” und “Schlafgewölk” aus dem groß angelegten Scardanelli-Zyklus (1975/85) nach Gedichten Hölderlins, mit eher ruhigem und meditativem Charakter. Außerdem die witzige Sonate (in)solit(air)e und das leidenschaftliche “(é)cri(t)”, eingerahmt von zwei kleineren Werken, “petit air” und einem Trio pour Roland Calvin (Kollege Heinz Holligers im Sinfonieorchester Basel), bei dem Felix Renggli mit Anne-Laure Pantillon und Anne Parisot zwei klangschöne Mitspielerinnen hat.
Fast alle Werke sind Aurèle Nicolet gewidmet, dem langjährigen Kammermusikpartner und engen Freund Holligers. Voller Anspielungen auf gemeinsame Erlebnisse und gemeinsam gespielte Werke ist die Sonate “(in)solit(air)e” zum 70. Geburtstag Nicolets: Die zwölf kurzen Sätze dieser Suite tragen so ironische Titel wie „La bande de sara“, „Nicotin et nicotine“ und „L’iréel au réel“. Überall gibt es Zitate aus Werken Bachs, Couperins und Telemanns, die äußerst verfremdet in whistle tones, gesungen oder durch perkussive Effekte durchscheinen. Man kann sich vorstellen, mit welcher Lust der Widmungsträger dieses Geschenk gespielt hat. Felix Renggli steht ihm in nichts nach – bewundernswert, wie sicher er alle Spieltechniken, extreme Dynamik und Virtuosität bei immer vollem, warmem und beseeltem Klang einsetzen kann.
1989 äußerte sich Heinz Holliger zu seiner Arbeit: „Meine ganze Beziehung zur Musik ist so, dass ich immer probiere, an die Grenzen zu kommen.“ Seine Werke für Flöte gehen an die Grenze eines jedes Flötisten, für Felix Renggli scheint es aber keine Grenzen zu geben.
Thomas Richter

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