Moór, Emanuel

Works for Cello

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Cello Classics CC 1018
erschienen in: das Orchester 12/2007 , Seite 85

„Sie sind ein Genie!“ – Pablo Casals’ enthusiastisches Lob scheint beim Empfänger, dem Komponisten Emanuel Moór, einen wahren Schaffensrausch ausgelöst zu haben. „Von diesem Moment an“, so erinnert sich Casals später, „war [Moór] wie neugeboren. Er komponierte und komponierte, und nahezu jeden Monat kam er einmal nach Paris, um mir seine neuesten Werke zu zeigen.“ Zu dieser Zeit – um 1905 – stand das Komponieren noch im Zentrum der Aktivitäten des vielseitig begabten, heute völlig vergessenen Künstlers.
Nach 1914 mutierte Moór zunehmend zum Erfinder solcher Kuriosa wie einem zweimanualigen Flügel mit Umschaltknopf zum Cembalo oder auch der patentierten „Bechstein-Moór“-Streichinstrumente, die im Geigenbau-Mekka Mittenwald hergestellt und von den Berliner Philharmonikern im Hinblick auf deren wachsendes Bedürfnis nach „großem Ton“ erfolgreich getestet wurden.
In seinen frühen Jahren hatte Moór, 1863 als Sohn eines jüdischen Kantors im ungarischen Kecskemét geboren, vor allem als Pianist reüssiert, u.a. war er während eines New-York-Aufenthalts in den 1880er Jahren als Begleiter der Sängerin Lili Lehmann aufgetreten. Später lebte er in England und seit 1901 in der Schweiz, wo ihn 1921 sein späterer Biograf Max Pirani besuchte und den knapp Sechzigjährigen als „dynamische Persönlichkeit, gleich einem Wirbelwind“ erlebte.
Die Publikation des Labels Cello Classics präsentiert einen Komponisten, dessen Idiom unter dem Einfluss Johannes Brahms’ stand, trotz seines konservativen Standorts jedoch nicht in Epigonentum verharrte. Brahmsisch in der thematischen Erfindung, von leidenschaftlich-dramatischem Gestus, formal jedoch nicht an die Architektenkunst des Vorbildes heranreichend, präsentiert sich das früheste der drei eingespielten Werke, die 1889 entstandene c-Moll-Sonate op. 22. Hier wie auch in der freundlich gestimmten, weniger rhapsodisch angelegten, wiewohl von ungarischem Kolorit durchzogenen G-Dur-Sonate op. 55 (1901) artikuliert sich eine persönliche Handschrift, die im Celloquartett op. 95 (1909) einen bemerkenswerten Punkt kompositorischer Originalität erreicht. Dieses Werk – uraufgeführt durch das illustre Team Pablo Casals, Joseph Salmon, André Hekking, Diran Alexanian – stellt eine bedeutende Bereicherung des nicht sehr üppigen Repertoires für diese Besetzung dar.
Gregor Horsch, Solo-Cellist des Concertgebouworkest Amsterdam, und die Pianistin Carole Presland bilden ein nicht allein perfekt aufspielendes, sondern klanglich wunderbar abgestimmtes Duo, dem zu lauschen reine Freude bereitet. Nicht minder einnehmend die Vortragskunst des Amsterdamer Cellokwartet, in dem Gregor Horsch als Primus inter Pares die „1. Geige“ spielt. Die Namen seiner hochkarätigen Kollegen verdienen, hier genannt zu werden: Judith Jamin, Pascale Went und Sebastiaan van Eck. Exzellente Aufnahmetechnik und ein informativer (englischer) Booklet-Text tun ein Übriges, um mir keine Wahl zu lassen: Ich finde diese CD einfach schön!
Gerhard Anders