Bauer, Oswald Georg

Wolfgang Wagner

Der Festspielleiter. Der Regisseur. Der Bauherr

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Ellwanger, Bayreuth 2011
erschienen in: das Orchester 05/2012 , Seite 69

Am 28. August 2002 fand mit den Meistersingern von Nürnberg die letzte Aufführung einer Inszenierung von Wolfgang Wagner im Bayreuther Festspielhaus statt. Er hatte das Werk in den 57 Jahren, in denen er die Bay­reuther Festspiele geleitet hatte, bis 1966 gemeinsam mit seinem Bruder Wieland, nach dessen frühem Tod in Alleinverantwortung, vier Mal inszeniert. Im August 2008 trat er zugunsten seiner Töchter Katharina und Eva von der Festspielleitung zurück. Eine Ära ging zu Ende. Wolfgang Wagner war der dienstälteste Opernimpresario der Welt und als Theater-Manager ein kaum zu ersetzendes Unikat! Seine umfassende Kompetenz in allen theaterpraktischen, künstlerischen und organisatorischen, auch rechts- und finanztechnischen Fragen der Leitung eines Opernhauses war einmalig. Nach Cosima Wagner hat kein anderer die Geschicke Bayreuths so lange und so wesentlich bestimmt. Seit 1986 war Wolfgang Wagner Geschäftsführer und alleiniger Gesellschafter der Bayreuther Festspiele GmbH, seit 1987 mit
einem Vertrag auf Lebenszeit. Unzweifelhaft setzte er künstlerische Höhepunkte, holte bedeutende Sänger, Regisseure und Dirigenten an sein Haus, setzte er sich maßgeblich für die Schaffung einer Richard-Wagner-Stiftung ein, um die Zukunft der Festspiele und das Wagner-Archiv über seine Zeit hinaus zu sichern, aber auch um den Wiederaufbau des kriegszerstörten Hauses Wahnfried – heute Richard-Wagner-Museum – zu ermöglichen. Er machte aus dem baufälligen Nachkriegsfestspielhaus ein inzwischen technisch hochmodern ausgerüstetes, beispielhaft restauriertes Opernhaus.
Alles in allem eine imposante Bilanz. Oswald Georg Bauer hat das alles gewissenhaft mit Texten, Fotografien und Besetzungslisten dokumentiert. Mit großem Fleiß hat er Interviews, Statements, Presseerklärungen, Vorträge und Aufsätze zusammengetragen. Sein Buch ist ohne Frage eine verdienstvolle Materialsammlung, die als Ergänzung der Autobiografie Wolfgang Wagners (Lebensakte) von Nutzen ist.
Allerdings stehen die Dokumente absichtlich unkommentiert nebeneinander. Der Autor enthält sich jeder Bewertung, jeder kritischen Einordnung und Hinterfragung. Aber genau das ist der kapitale Einwand, den man gegen dieses Buch erheben kann: Die Hartnäckigkeit des machtbewussten Patriarchen, seine fragwürdigen künstlerischen Entscheidungen sind tabu in diesem Buch. Ebenfalls wird die Tatsache verschwiegen, dass in den vergangenen zwanzig Jahren seines Lebens die Schattenimpresaria Gudrun Wagner, seine zweite Ehefrau (die im Übrigen den Familienzwist beförderte), in der Festspielleitung mehr oder weniger die Oberhand hatte. Überhaupt ist der ganze familiäre wie politische Kontext des Phänomens Wolfgang Wagner ausgeblendet. Sowohl die dunklen Kapitel in der deutschen und Bayreuther Geschichte als auch in der Persönlichkeit Wolfgang Wagners werden verschwiegen: sein autoritärer Führungsstils im Unternehmen wie in der Familie, „einem Atridenclan, in dem ein Familienmitglied dem anderen nach dem Leben trachtet“, wie es Nike Wagner, die schärfste Kritikerin Wolfgang Wagners einmal formulierte. Und so ist Bauers Buch nicht mehr und nicht weniger als das bedingungslos bewundernde „Dokument einer bedeutenden Lebensleistung“.
Dieter David Scholz

Page Reader Press Enter to Read Page Content Out Loud Press Enter to Pause or Restart Reading Page Content Out Loud Press Enter to Stop Reading Page Content Out Loud Screen Reader Support