Wolfgang Sawallisch

Werke von Mozart, Schubert, Haydn, Mendelssohn Bartholdy und Orff, 8 CDs

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Profil/Edition Günter Hänssler PH12041
erschienen in: das Orchester 10/2013 , Seite 72

Einst war der Kapellmeister unangefochtener kreativer Kopf jedes mehrstimmigen Musizierens, kein bloßer Dirigent wie im heutigen Theater-/ Orchesterbetrieb, wo dieser Begriff zumeist den zweiten oder dritten Mann hinter dem ranghöchsten meint: In jenem guten alten Sinn verstand sich zeitlebens Wolfgang Sawallisch, der als Korrepetitor klein anfing, um schließlich als repertoirepflegender und ensembleformender „General“ in langjähriger Verweildauer das Geschehen diverser Institutionen prägte. Er, der Ende Februar dieses Jahres im 90. Lebensjahr verstarb, verband in seiner Person das Meisterliche durchaus mit dem profanen Handwerklichen, fühlte sich ganz im Eisler’schen Sinn als ein Bote, der etwas abliefert: pflichtbewusst, uneitel, ein gehorsamer Diener der Musik mit dem Drang nach Deutlichkeit bei ihrer Vermittlung. Die einen bezeichneten ihn darob als „betulich“, die anderen als „altväterlich und unmodern“. Der übergroße Rest liebte ihn dafür umso mehr. Von alledem kündet die 8-CD-Box in Konzertmitschnitten oder Studioproduktionen, die zwischen 1958 und 2001 entstanden – ausschließlich mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks nebst dreimaliger Mitwirkung des BR-Chors, der von pastoraler Naturmalerei (Haydn) über Lebensdramatik und Gläubigkeit (Mendelssohn) bis hin zum rhythmisch prononcierten Sprechgesang (Orff) eine enorme stilistische Spannweite durchmisst und staunenswert beherrscht. Die Wiedergaben der Haffner- und Jupiter-Sinfonien (KV 385 und 551) von Mozart sind geprägt von gefühlsrationaler Klarheit und apollinischer Heiterkeit. Im Drang nach Deutlichkeit werden emotionsgeladene Strukturen mit leichter Hand freigelegt. Detailfreudiges Musizieren bestimmt Haydns Die Jahreszeiten, bei deren einzelnen Stationen für Wohllaut auf der ganzen Linie gesorgt ist. Nach spannendem Beginn folgt die detailreich angelegte, klang – schöne und sich betulich verströmende Erzählweise der Zeitabschnittsgeschehnisse durch die Sopranlyrikerin Ruth Ziesak sowie die kraftlosen Robert Gambill und Alfred Muff.
Hellwachen Sinnes steuert Sawallisch Mendelssohns überaus dramatisch musiziertes Elias-Oratorium sicher durch alle möglichen Klangfährnisse und religiös eifernde Untiefen. Sehr intensiv und differenziert gestaltet Bassist Michael Volle einen selbstbewussten Titelhelden. Bei den anderen Sängern ist Stimmenraten angesagt, denn weder Booklet noch Cover bringen die Solisten mit ihren Parts in Verbindung. Ein Mangel, der auch Orffs klangarchaisches Antigone-Kultstück „auszeichnet“. Dass man Martha Mödl mit ihrer expressiven, atemberaubenden Heroinenstimme in der Titelrolle aus dem vielstimmigen Solistenaufgebot sofort heraushört, versteht sich. Aber sonst? Schließlich erlebt man Sawallisch noch in Schuberts Forellenquintett als exzellenten, nie vorlaut agierenden Kammermusiker. Legendär auch sein Können als Liedbegleiter, wovon die Kompilation sträflicherweise leider keine Kunde gibt.
Peter Buske