Hoogen, Eckhardt van den

Wolfgang Amadeus Mozart. Leben und Werk

Zeitgenossen, Werkverzeichnis, Musik, Glossar. 2 CDs und 376-seitiges Buch

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Naxos 8.551244-45
erschienen in: das Orchester 09/2006 , Seite 85

Übersichtliches und für ein breites Publikum Konzipiertes muss nicht unter Verzicht auf inhaltliches Niveau geschrieben werden. Dies unterstreicht ein kompakter, aber von beachtenswerter Fachkenntnis und Mut zum fundierten Urteil geprägter Band im Booklet-Format mit CD-Anhang, für den der Musikschriftsteller Eckhardt van den Hoogen bei Naxos verantwortlich zeichnet. Der Autor erläutert Mozarts Leben ebenso wie er auf knappem Raum versucht, sein Werk im Kontext seiner Zeit zu erklären. Dabei gelingt es ihm trotz aller umfänglichen Beschränkungen ein ansprechend-informatives Bild von Mozarts Lebensweg zu schreiben.
Ein Nachkauen altbekannter Stereotypen über den „Götterliebling“ Mozart ist indes nicht zu erkennen. Auch wenn sich das Projekt zwangsläufig an einen sehr breit gehaltenen Rezipientenkreis richten soll und tiefer gehende musikalische Diskussionen sich daher wie von selbst verbieten, gelingt es dem Autor, eine Einführung in die Biografie des Musikers zu geben, die der Bedeutung des Komponisten gerecht wird, ohne in einer vordergründigen Apologetik gefangen zu bleiben.
Sehr anschaulich schildert van den Hoogen, wie Leopold Mozart seinen Sohn und dessen Schwester Nannerl auf durch die Umstände der Zeit bedingte ungemein anstrengende Reisen schickt. Dass Wolfgang Amadeus Mozart trotz schwerer Erkrankungen auf diesen Reisen überhaupt über das Kindesalter hinaus überlebt hat, ist ein kleines Wunder… So wird auch die Rolle des Vaters, der viel für die Ausbildung seiner Kinder, speziell natürlich seines Sohnes getan hat, durchaus kritisch im Sinne von Maynard Solomon gesehen, dessen wichtige Mozart-Biografie nun endlich in deutscher Übersetzung bei Bärenreiter vorliegt (siehe auch Das Orchester 5/06, S. 72).
Spekulationen findet man bei van den Hoogen zwar gelegentlich auch, sie werden aber als solche kenntlich gemacht und der Autor gibt sich nicht den Anschein, den Stein der Weisen gefunden zu haben, nach dem nun schon mehrere Generationen von Musikwissenschaftlern suchen. Warum Mozart in so schwere finanzielle Bedrängnis geriet, bleibt ebenso wie das plötzliche Nachlassen seiner Popularität in Wien im Dunklen – seine einst so erfolgreichen Akademien haben fast über Nacht keinen Zulauf mehr. Zwar gibt der Autor einige der häufig genannten Thesen wieder: So taucht des Bild des Spielers auf, was nicht nur auf musikalische Spielformen oder die Neigung zum Billardspiel, sondern auch auf Spielen um Geld gemünzt sein kann; ebenso wird eine mögliche Neigung zum Alkohol angedeutet, ohne jedoch als überzeugende Erklärung angeführt werden zu können. Wenigstens wiederholt er nicht die längst wiederlegten Vorwürfe gegen Konstanze Mozart, deren angebliche Verschwendungssucht Mozart in den Ruin getrieben habe! Wenn Mozart einen für seine Verhältnisse überzogenen Lebensstil hatte, dann war er zu großen Teilen selbst dafür verantwortlich, gab er doch selbst in den Zeiten, deren Bettelbriefe an Puchberg dokumentiert sind, für Luxusgüter noch unverhältnismäßig viel Geld aus…
Neben dem biografischen Abriss bemüht sich der Autor, sämtliche Werkgruppen im Schaffen des Komponisten vorzustellen – ein sicher vor dem Hintergrund der Beschränkung des Bandes nicht immer überzeugend gelöstes Unterfangen. So treffend die Unterscheidung in frühe Sinfonien von der italienischen Opernsinfonia hergeleitet und den gewichtigeren Symphonien schon sprachlich ist – wenn die Trias der letzten Symphonien nur kursorisch und oberflächlich abgehandelt wird, ist der Erkenntniswert gering. Dies gilt auch für das schmale Kapitel, das den Streichquartetten gewidmet ist. Das Opernschaffen hingegen wird, gerade was das weniger bekannte Frühwerk angeht, knapp, aber mit hohem Informationswert dargestellt. Sehr hilfreich ist zudem eine erläuternde Übersicht über einige der Mozart-Zeitgenossen, die mit knappen, aber wissenswerten biografischen Angaben vorgestellt werden.
Verbunden mit dem Text von Eckhardt van den Hoogens Darstellung von Leben und Werk Mozarts sind zwei CDs, eine dem Instrumentalwerk, die zweite dem Vokalwerk gewidmet. Dabei kann auf den Naxos-Katalog zurückgegriffen werden mit bewährten Instrumentalisten wie beispielsweise Jenö Jandó. Abgesehen von der Problematik, nur einzelne Sätze oder Arien aus dem Gesamtkontext vorzustellen, ist die Auswahl zumindest bei den Instrumentalwerken nicht immer nachvollziehbar. So fehlt beispielsweise das d-Moll-Klavierkonzert ebenso wie die späte Sinfonik. Bei der dem Vokalwerk gewidmeten CD ist der Eindruck partiell besser, wobei Naxos hier auch auf namhafte Interpreten wie Bo Skovhus als Don Giovanni oder den Sarastro von Kurt Rydl zurückgreifen konnte.
Walter Schneckenburger