Cantagrel, Gilles (Hg.) / in Zusammenarbeit mit Roselyne de Ayala

Wolfgang Amadeus Mozart

Eine illustrierte Biografie

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Knesebeck, München 2005
erschienen in: das Orchester 05/2006 , Seite 73

Wer im Jubiläumsjahr Mozart nicht (mehr) hören möchte, hat mit vorliegendem Band eine Alternative – und kann Mozart sehen! Denn mit dieser „illustrierten Biografie“ legt der für seine stets sorgfältig hergestellten und auserlesenen Bildbände bekannte Knesebeck-Verlag einen Bildband vor, der Mozartliebhabern und Augenmenschen echte Freude bereiten dürfte.
Der Franzose Gilles Cantagrel, Musikwissenschaftler und ehemaliger Direktor von Radio France, will mit dieser Biografie zu „einem ungezwungenen Spaziergang durch das Leben des Musikers entlang von Mozarts Manuskripten und schönsten Werken einladen“. Es kommt dem Autor dabei weniger auf Neuentdeckungen und gewagte Thesen zu Mozart an als auf eine lustbetonte Annäherung an den Komponisten durch visuelle Mittel.
Und siehe da: Der Spaziergang wird zu einer Entdeckungsreise, da Cantagrel sich nicht darauf beschränkt, die ohnehin spärlich vorhandenen Porträts von Mozart und seinen Verwandten und Arbeitgebern abzubilden. Kurze Abrisse über die Stationen von Mozarts kurzem und kometenhaftem Leben, von der Kindheit bis zum Tod, werden mit Fotos (etwa eines der Schatulle, die zur Aufbewahrung der Partitur des Don Giovanni angefertigt wurde), Gemälden und Stichen aus der Zeit und vor allem mit faksimilierten Ausschnitten von Briefen und Notenautografen so ergänzt, dass sich aus Texten, Bildern und Faksimiles Konstellationen ergeben, die neue Perspektiven anbieten, ohne sie aufzudrängen.
Dass dabei die druckreife Klarheit der beinahe ohne jede Korrektur auskommenden Notenniederschriften aufs immer Neue zu bestechen vermag, dass die Kindheits- und Jugendwerke sich in Reife und Fertigkeit (nicht nur) der Handschrift kaum von denen des Erwachsenen unterscheiden, ist Mozarts schier unglaublichen musikalischen Fähigkeiten zuzuschreiben. Dass es Cantagrel mit seiner Auswahl und Kommentierung aber gelingt, etwa den Mythos des Lacrimosa aus dem Requiem, Mozarts letzter Niederschrift, mit wenigen Worten, durch geschickte Kombination von Zitaten und dem Faksimile der Notierung so aufleben zu lassen, dass man wieder einmal Gänsehaut darüber bekommen darf, ist ein Verdienst dieses Buchs, das zeigt, dass es nicht immer um den Anspruch auf Lückenlosigkeit und Nüchternheit gehen muss. Manchmal macht die Liebe und Begeisterung, die den Mut hat, vermeintlich Bekanntes emphatisch noch einmal auszusprechen und in neuem Licht zu zeigen, viel mehr Eindruck.
Diesem „Notenbüchlein für Wolfgang Amadeus Mozart“, das man immer wieder zur Hand nehmen kann, um darin zu blättern, sich festzusehen und -zulesen; das geeignet ist, um zuallererst an Mozart Interessierte „anzufüttern“, das aber auch Experten sicherlich gerne zur Hand nehmen werden, um die schönen und zahlreichen Bilddokumente in hervorragender Abbildungsqualität zu bewundern – diesem Buch ist zu wünschen, dass es das Mozart-Jahr weit überdauert. Das Zeug zum Klassiker bringt Cantagrels Mozart-Buch ganz sicher mit.
Beate Tröger