Wagner, Manfred
Wolfgang Amadeus Mozart
Werk und Leben
Wer ein Buch über Mozart schreibt, hat es schwer. Er muss eine ungeheure Zahl von Werken, Interpretationen und Veröffentlichungen wenigstens einigermaßen kennen, er muss aus diesem immensen Material eine sinnvolle Auswahl treffen und es unter Aspekten zusammenfassen, die das Publikum interessieren. Der Kunst-, Bildungs-, Medien- und Rezeptionsforscher Manfred Wagner, Ordinarius für Kultur- und Geistesgeschichte in Wien, erfüllt alle diese Voraussetzungen in weitestem Maße und er weiß um die Schwierigkeit seiner Aufgabe: Was also kann ein neues Mozart-Buch bieten? Es existieren derzeit schon rund 12000 Publikationen und werden wie immer in Jubiläumsjahren sich um ein- bis zweihundert vermehren.
Seine Antwort bewegt sich im Feld eloquent vorgetragener Synthesen aus Lebens- und Werkbeschreibungen, zeitgenössischen Zitaten einschließlich vieler aufschlussreicher Briefstellen aus Mozarts reichhaltiger Korrespondenz und neueren Forschungsergebnissen aus der Pädagogik, der Psychologie, der Ästhetik und den Sozialwissenschaften. Er versucht demnach, das komplexe Phänomen Mozart in ein Bezugsdiagramm zu stellen, das dem intellektuellen Kunstinteressierten unserer Tage im Prinzip vertraut ist, das durch Manfred Wagners Ausführungen jedoch an Eindringlichkeit durchaus zu gewinnen vermag, wenn man allein an die Fülle von aufgelisteten Namen mehr oder weniger einflussreicher Persönlichkeiten aus Mozarts Umgebung denkt oder an die geradezu verblüffende Kenntnis und Charakterisierung von Rolleninterpretationen Osmin, Figaro, Don Giovanni u.a. der vergangenen dreißig Jahre durch Sänger und Regisseure, die in dem Buch zutage tritt.
Biografisch akzentuiert Wagners Auswahl aus den bekannten Fakten einige Phasen der Kindheit Mozarts und die bedeutungsvollen Jahre seiner freikünstlerischen Existenz ab 1781 in Wien. Unter den Werken faszinieren den Autor offensichtlich die Opern am meisten. Und gerade hier dürfte sich die Faszination auch auf viele Leser übertragen. Da Mozart erwiesenermaßen an der Textgestalt und am ideellen Zuschnitt seiner reifen Bühnenwerke erheblichen Anteil hatte, ist es sicherlich legitim, soziologische, psychologische, anthropologische und zeitkritische Intentionen aus ihnen abzuleiten, die dazu beitragen, Mozart als Künstler und aktualitätsbewussten Menschen in den Rang einer singulären und epochalen Persönlichkeit zu erheben.
Das Buch schließt mit einem umfänglichen und informativen Kapitel über Mozart-Interpretationen heute. Hier werden zentrale Tendenzen unserer Zeit die Ästhetisierung der Umwelt, die Kulturierung des Alltags, die Psychologisierung unserer Gesellschaft, die Verwissenschaftlichtung, die Wertesuche, der Ökologietrend und die Akzeptanz der Modernität auf das Schaffen von Künstlern und dessen Rezeption hin angesprochen. Der generelle Duktus seiner Äußerungen in diesem Teil lässt dem Autor dennoch Raum, immer wieder zu Mozart zurückzukehren und ihn bzw. sein Werk aus heutiger Sicht als Musterbeispiel für das Verständnis vieler solcher Tendenzen darzustellen.
Ein ausführlicher Anhang (34 Seiten) vollständiges Werkverzeichnis, diskografische Empfehlungen, Zeittafel mit Hinweisen auf politische und andere flankierende Ereignisse, ausgewählte Literatur macht das Buch für den Leser, der entsprechende Veröffentlichungen nicht zur Hand hat, zusätzlich wertvoll.
Peter Schnaus