Bernadeta Czapraga

Wolfgang Amadé Mozarts Violinkonzert A-Dur KV 219

in ausgewählten Interpretationen

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Bärenreiter
erschienen in: das Orchester 03/2018 , Seite 60

Mit Wohlgefallen hält man dieses sehr schön aufgemachte und sprachlich insgesamt gelungene Buch in der Hand. Dieser Band 15 der „Schriftenreihe der Internationalen Stiftung Mozarteum“ verfolgt den reizvollen Plan, Interpretationen zu vergleichen, insbesondere mit Blick auf die eingesetzte „objektivierende“ Sonogramm-Technik mit Sonic Visualiser. Die Auswahl der Geiger wird jedoch leider nicht erläutert.
Die biografischen Überblicke sind interessant, werden aber, wenngleich die Autorin auf den Bezug der Künstler zum Komponisten Mozart durchaus eingeht, zu selten an die Analysen angebunden: Welche biografischen Umstände könnten ursächlich sein für eine bestimmte Spielweise? Inwiefern etwa hat Menuhin, der zumindest ursprünglich mehr zu Beethoven neigte, sich Mozart in seinem Geigenspiel angenähert? Welche Rolle spielt das gewählte Instrument? Eine ausgesprochen positive Ausnahme bildet hier das Kapitel über Gidon Kremer.
Auch die Übersicht der Noteneditionen zu dem vorliegenden Werk ist durchaus informativ, allerdings findet bei den Untersuchungen im weiteren Verlauf ebenfalls kaum ein Rückbezug darauf statt. Weshalb im einleitenden historischen Teil lediglich zum Vibrato „spielpraktische Überlegungen“ angestellt werden, nicht aber zu Verzierungen, Artikulation oder Phrasierung, ist nicht wirklich verständlich.
„Mozart als Geiger“ wäre bezüglich der Auseinandersetzung mit historischer Spielpraxis eigentlich eine ideale Grundlage zum Vergleich mit den heutigen Interpretationen. Warum wird beispielsweise nicht darauf eingegangen, dass der Komponist selbst „kein grosser liebhaber von schwierigkeiten“ war; was es bedeutet, dass Mozart bei Geigerkollegen das „schwere Spiel“ kritisierte, den „sehr schönen runden thon“ und das „schöne staccato“ hingegen sehr lobte? Im formanalytischen Teil begründet die Verfasserin logisch, wie sie zu der Bezeichnung der von ihr fokussierten Formteile gelangt.
Die differenzierte Darstellung der jeweiligen geigerischen Spielweisen – teilweise geht es tatsächlich mehr um Spielweisen als um Interpretationen – ist in ihrer akribischen Beobachtung von Orchesteraufstellung, Körper- und Bogenhaltung, Strichrichtung, Artikulation einzelner Töne etc. bewundernswert. Auch die gelegentlich formulierte Kritik, etwa zu der mangelhaften Intonation Bertoluccis, überzeugt. Ein Fazit wäre wünschenswert gewesen.
Dass die ausgewählten Aspekte in stets gleicher Abfolge dargestellt werden, ermüdet beim Lesen. Zwecks Erlangung eines echten Überblicks ist die Lektüre der Zusammenfassung zentral und unbedingt zu empfehlen. Hier findet man die nötige, auch grafisch unterstützte vergleichende Gegenüberstellung; konkrete Aussagen zur Bedeutung der Interpretationen, eine Wertung und einen Rückgriff auf die im historischen Teil erfolgten Angaben vermisst man indes.
Wer sich explizit über einzelne Interpreten informieren, wer sein geigerisches Idol verstehen möchte, ist bei und mit diesem Buch richtig aufgehoben.
Carola Keßler