Wolferl’s Schmankerln

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Bella Musica BM 31.6527
erschienen in: das Orchester 07-08/2006 , Seite 90

Ein CD-Titel wie Wolferl’s Schmankerln sowie ein Booklet, das die Gesichter der beteiligten Musiker in Croces Gemälde der Familie Mozart hineinkopiert und sie auch in gerahmten Scherenschnitten zeigt, lässt Schlimmes erwarten. Auch die Angabe einer Nummer des „Heinzel-Verzeichnisses“ für eigene Variationen des Pianisten trifft nicht jeden Humor. Im Begleittext wird Mozart als erster Swingmusiker gefeiert und der hier vorzustellenden Unternehmung a priori ihr Gelingen attestiert.
Umso erfreulicher sind dann die Aufnahmen des Opera Swing Quartets. Wolfgang Heinzel hat sehr geschickt bekannte Mozart-Titel für die Besetzung Klarinette, Klavier, Kontrabass und Schlagzeug arrangiert. Dabei kreuzt er jeweils ein Mozart-Stück mit anderen Vorlagen, oft Jazzstandards. Diese stehen aber nicht einfach nebeneinander, sondern werden strukturell miteinander verzahnt (z.B. wird die Quintfallsequenz aus der Überleitung der Sonata facile zum Bestandteil von Autumn leaves). Auch erfahren manche Themen völlig neue Harmonisierungen (z.B. Papagenos „Das klinget so herrlich“), sodass der Zitatcharakter aufgeweicht wird und Neues entsteht. Kontrapunktisches kommt nicht zu kurz, Überlagerungen wie z.B. von Paul Desmonds Take five mit der Zauberflöten-Ouvertüre sind sehr originell. Dass bezüglich der Anzahl der Zitate zuweilen übertrieben wird, sollte nicht verschwiegen werden.
Den Musikern des Opera Swing Quartets stehen verschiedenste Stile zu Gebote, zwischen denen sie souverän wechseln (Swing, Latin, Marsch, Jazz-Ballade usw.). Ihr Zusammenspiel ist sehr virtuos, es gibt auch ausreichend Raum für Improvisationen, insbesondere für den hervorragenden Klarinettisten Wolfgang Weth. Alle Musiker sind mit mehreren Soli vertreten. Eine Besonderheit besteht darin, dass zuweilen der Sound berühmter Jazzaufnahmen klanglich minutiös nachempfunden wird (z.B. von Miles Davis’ Freddie Freeloader oder dem schon erwähnten Take five), dem Ohr eine willkommene Erinnerung liefernd.
Diese CD einzuordnen ist schwierig. Durch ihre Eigenständigkeit gehen die meisten dieser Stücke über bloße Arrangements hinaus. Die Zitate werden nicht als Erinnerungs- bzw. Lachnummer eingesetzt (wie z.B. bei Hoffnung), es handelt sich auch nicht um einen verspäteten Beitrag zum „Third Stream“ oder einer Neuauflage von „Play Bach“ mit einem anderen Komponisten. Vielmehr zeigt sich, dass Jazz sich alle Materialien anverwandeln kann, und auch, dass die Vorlage nicht das Entscheidende ist, sondern das, was aus ihr gemacht wird. Das Ergebnis ist für Profimusiker wie Laien gleichermaßen spannend. Mozart-Liebhaber, Jazzfans, Kammermusikfreunde: Sie alle kommen auf ihre Kosten. Diese CD ist unterhaltend im besten Sinne.
Christian Kuntze-Krakau