Frank Schneider

Wir, so gut es gelang, haben das Unsre getan

Fragmente aus einem Leben für Neue Musik

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: von Bockel Verlag, Neumünster
erschienen in: das Orchester 6/2023 , Seite 65

Es ist eine dieser Biografien, wie sie nur das geteilte Deutschland hervorbringen konnte: ein erstes Leben in der DDR, ein zweites im wiedervereinten Deutschland, genauer: im wiedervereinten Berlin. Frank Schneider, in der DDR engagierter Sachwalter der Neuen Musik, ab 1992, drei Jahre nach dem Fall der Mauer, für 17 Jahre Intendant des Konzerthauses Berlin, legt jetzt, aus Anlass seines 80. Geburtstags, seine Memoiren vor. Schneider hat viel zu erzählen – und das tut er, mit viel Liebe zum Detail, meist sachlich, verbunden mit einem etwas altbackenen Humor. Das gut 500 Seiten starke Buch ist chronologisch aufgebaut, ergänzt um thematische Exkurse wie etwa „Mein Beethoven, anekdotisch“ oder um offizielle Dokumente wie etwa die eigene, noch vom Glauben an die Ideale des Sozialismus geprägte Abiturrede. Auch persönliche Schicksalsschläge wie den Schlaganfall seiner Frau spart Schneider nicht aus.
Schneider wurde 1942 in Großerkmannsdorf in der Nähe von Dresden geboren, besuchte die Oberschule in Radeberg und wechselte dann für ein Dirigierstudium nach Dresden, das er wegen eines Augenleidens abbrechen musste. Er entschied sich deshalb für ein Studium der Musikwissenschaft an der Berliner Humboldt-Universität. 1968–71 arbeitete Schneider am Zentralinstitut für Musikforschung und wechselte dann als Dramaturg an die Komische Oper Berlin, war danach wissenschaftlicher Mitarbeiter, ab 1989 Professor am Institut für Ästhetik und Kunstwissenschaften der Akademie der Wissenschaften der DDR. 1992 wurde er zum Intendanten des Konzerthauses Berlin ernannt. Aus dieser Zeit im Spannungsfeld des zusammenwachsenden Ost- und Westberlin erfährt man jede Menge Details über Abläufe und Hintergründe kulturpolitischer Entscheidungen und allerlei „Off-the-record“-Bemerkungen über Persönlichkeiten aller Couleur.
Dass Schneider sein publizistisches und kulturpolitisches Wirken nicht schlechtredet, liegt auf der Hand. Aber er legt keineswegs eine Hagiografie in eigener Sache vor. Auszüge aus seiner musikwissenschaftlichen Diplomarbeit über Strauss’ Elektra kommentiert er selbstkritisch als „präpotenten Galimathias“. Und durchaus ehrlich schätzt er sich darüber ein, dass ihm für eine Karriere in der Forschung das „Sitzfleisch“ und die nötige „marxistische Gläubigkeit“ gefehlt habe. Man kennt Frank Schneider aus zahlreichen Veröffentlichungen zur Avantgarde der DDR. Deren Stilniveau sucht man in seiner Autobiografie allerdings über weite Strecken vergeblich. Was er über Kindheit und Jugendzeit schreibt, ist oft langatmig oder belanglos oder erinnert an die Gymnasiastenstreiche der Spoerlschen Feuerzangenbowle. Ärgerlich sind viele Äußerungen über Frauen, die statt ironisch einfach nur geschmacklos sind.

Mathias Nofze

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