Wilhelm Friedemann Bach
Thematisch-systematisches Verzeichnis der musikalischen Werke (BR-WFB), Bach-Repertorium, Werkverzeichnisse zur Musikerfamilie Bach, Band II
In Verbindung mit dem seit Ende der 1990er Jahre beim Bach-Archiv Leipzig angesiedelten Forschungsprojekt Bach-Repertorium hat der Carus-Verlag ein ehrgeiziges Publikationsvorhaben gestartet: In acht Bänden sollen Werkverzeichnisse der Bach-Familie veröffentlicht und dabei nicht nur die bekannten Söhne des Thomaskantors berücksichtigt, sondern auch dessen Vorfahren sowie die späteren Generationen einbezogen werden (lediglich Johann Sebastian selbst bleibt ausgespart).
Das Arbeitsgebiet erstreckt sich somit vom frühen 17. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts und damit über einen Zeitraum, der einen großen Stilwandel aufweist und dessen politisch-gesellschaftliche Veränderungen sich nicht zuletzt in den unterschiedlichen Schaffensbereichen der Komponisten widerspiegeln; handelte es sich anfangs noch vorwiegend um kirchliche Arbeitsverhältnisse, so verlagerte sich dies zunehmend auf den weltlichen d.h. städtischen oder höfischen Sektor. Das geografische Zentrum bildet zunächst Mitteldeutschland, doch weitete sich der Wirkungskreis der Bach-Familie schließlich auf Mitteleuropa aus. Jetzt ist als erste Publikation der Reihe das Werkverzeichnis zum ältesten Bach-Sohn, dem Hallischen Bach, erschienen, dessen Schaffen sich stilistisch an der Wende vom Hochbarock zur Empfindsamkeit bewegt und sogar erste Verbindungen zur Frühromantik aufweist.
Ein Gesamtüberblick ist nicht nur schwierig, weil die Quellen schon früh zerstreut worden sind und die Authentizität einiger Werke fraglich ist, sondern auch wegen verschiedener Kriegsverluste, von denen sich manche inzwischen aber glücklicherweise als Irrtum herausgestellt haben: In neuester Zeit sind etliche der verloren geglaubten Handschriften wieder aufgetaucht. Gegenüber nicht einmal vierzig Vokalstücken (darunter lediglich zwei weltliche Vertonungen) dominiert mit fast 150 Nachweisen bei Wilhelm Friedemann das Instrumentalschaffen, wobei der größte Teilbestand (110 Kompositionen) aus Werken für Klavierinstrumente besteht (Sonaten, Konzerte ohne Begleitung, Fantasien, Polonaisen, Suiten und kleinere Stücke, Fugen, Choralvorspiele). Die verschiedenen Gattungen sind nach Tonarten angeordnet, jeder Satz wird durch ein aussagekräftiges Notenincipit vorgestellt.
Die knapp gehaltenen, aber sorgfältig aufbereiteten Kommentare gehen (soweit rekonstruierbar) auf die Werkgeschichte ein, enthalten Quellenbeschreibungen, dokumentieren relevante Ausgaben und sind mit Literaturhinweisen ergänzt. Wegen der dafür notwendigen äußerst akribischen und zeitraubenden Arbeit wäre die Vorbereitung auch nur eines solch komplexen Bandes eigentlich schon aufwändig genug; immer wieder trifft man bei den Recherchen auf unvorhersehbare Hindernisse, und regelmäßig können die gesetzten Erscheinungstermine deshalb nicht eingehalten werden. Dem Verlag ist (nicht zuletzt in finanzieller Hinsicht) also ein langer Atem zu wünschen, und man darf gespannt sein, wann das verdienstvolle Unternehmen abgeschlossen werden kann.
Georg Günther


