Annette Becker
WIESBADEN: Komponieren, Kompostieren, Humanismus und „Humunismus“
Joseph Haydns Oratorium „Die Schöpfung“ am Hessischen Staatstheater Wiesbaden
Es werde Kompost, und es ward Kompost. Bildgewaltig und musikalisch mitreißend hinterfragte Franziska Angerers Inszenierung von Joseph Haydns 1798 in Wien uraufgeführtem Oratorium Die Schöpfung am Hessischen Staatstheater Wiesbaden das aktuelle anthropozentrische Weltbild und betonte die Bedeutung der Mikroorganismen im Kontext des immerwährenden Werdens und Vergehens. Fantasievolle Kompostwesen bevölkerten die Bühne (Mirjam Stängl, Mitarbeit: Marlena Gundlach), dargestellt von Absolvent:innen der Wiesbadener Schule für Schauspiel in hybriden Kostümen (Sabrina Bosshard) zwischen Menschlichem, Insektenartigem und Fantastischem. Draußen neben dem Schillerdenkmal wartete derweil geduldig der Kompost, der im Laufe von drei Monaten liebevoll in Kooperation mit dem Ökopädagogen Bernhard Stichlmair und der Gesellschaft Natur & Kunst, Schloss Freudenberg, von Wiesbadener Bürger:innen angelegt und nach jeder Schöpfungs-Vorstellung mit frischen Apfelbutzen gefüttert wurde. In die Äpfel hatten nicht nur Eva und Adam gebissen, sondern auch die Chöre, darunter der Bachchor Wiesbaden, der Extrachor des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden und die Evangelische Singakademie Wiesbaden. Neben dem Kompost klang der Abend mit der Neukomposition for you are soil von Arne Gieshoff (*1988) aus, die Elemente aus Haydns Werk aufgriff und mit Chören, Lautsprechern und Blechbläsern zu einem neuen Ganzen schichtete – „eine neue akustische Kompostsubstanz“, so der Komponist.
Lesen Sie weiter in Ausgabe 10/2025.