Wien bleibt Wien
Mit Werken von Johann Strauß, Joseph Strauß, Christian Sinding, Ludwig Schytte, Georges Boulanger, Gustav Langer, Rudolf Kümmerer
Über diese CD kann man nur den Kopf schütteln. Heinz Klein hat hier zwei gegensätzliche Aufnahmen aneinander gereiht: Werke der Strauß-Familie für großes Orchester und Salonmusik für kleine Besetzung, beide Aufnahmen etwa 25 Jahre alt. Der Titel Wien bleibt Wien, der die beiden Teile verbinden soll, ist irreführend, denn unter den Komponisten finden sich auch zwei Skandinavier Christian Sinding mit seinem Waldesrauschen und Ludwig Schytte sowie ein Franzose. Außerdem kommt der titelgebende Marsch von Johann Schrammel nicht einmal vor.
Der Booklet-Text ist voll von Fehlern: Vater und Sohn Strauß sind nicht unterschieden, sodass ein Laie glauben muss, Radetzky-Marsch und Kaiser-Walzer seien vom selben Komponisten. Die Polka Im Krapfenwaldl wird ohne Verkleinerungssilbe als Krapfenwald angekündigt. Am schlimmsten aber hat man dem bezaubernden Walzer des dänischen Komponisten Schytte mitgespielt: Aus dem Wort féerie (Feenstück) ist eine Fèrerie geworden. Im Begleittext fehlen jegliche Hinweise auf die verhältnismäßig unbekannten Salonkomponisten. Dafür wird bei der überflüssigen Würdigung von Johann Strauß Sohn das Urteil vom musikalischsten Schädel gleich Wagner und Brahms zugeschrieben. Außerdem müsste bei einer deutschen Produktion Johann Strauß mit ß geschrieben sein und nicht mit ss wie sein Namensvetter Richard. Bei den Werken der Strauß-Familie hat Klein das Allerbekannteste aneinander gereiht.
Die musikalische Wiedergabe der Essener Philharmoniker unter Heinz Wallberg ist im Allgemeinen gut, wenn auch Im Krapfenwaldl im Marschtempo heruntergespielt wird und der Radetzky-Marsch zum Geschwindmarsch geworden ist. Sorgfältiger und befriedigender ist die Auswahl für das Salon-Orchester Cölln. Die Arrangements sind durchweg ausgezeichnet; nur einen Marsch, bei dem die Trompetensignale vom Klavier wiedergegeben werden müssen, hätte man sich sparen können. Ältere Herrschaften werden mit Rührung Gustav Langers Großmütterchen hören, eingeleitet von einem gefälligen Cellosolo. Am hübschesten sind die beiden Stücke von Georges Boulanger: das bekannte Avant de mourir und ein Marschfox. Eine CD einheitlich nur für Salonorchester oder nur für Großes Orchester wäre jedoch befriedigender gewesen.
Günther von Noé