Ross, Ina

Wie überlebe ich als Künstler?

Eine Werkzeugkiste für alle, die sich selbst vermarkten wollen

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Transcript, Bielefeld 2013
erschienen in: das Orchester 02/2014 , Seite 63

Wie weit kommt wohl ein, sagen wir, Versicherungsmakler mit einem handelsüblichen Werkzeugkasten aus dem Baumarkt beim Hausbau? Kann ein Marketingmanager durch den Kauf eines Klaviers und der einschlägigen Literatur Konzertreife erlangen? Andersherum gefragt: Können nur die Top-Performer einer Profession Erfolge erzielen oder genügt dafür nicht vielleicht ein grober Überblick, kreatives Potenzial und ein gerüttelt Maß an Unerschrockenheit? Müßig, darauf eine einfache Antwort zu geben – aber im vorliegenden Fall doch notwendig: Es kommt darauf an, auf die Umstände und die Ziele. Steht der Wind günstig, kann womöglich auch ein ungeübter, aber hochmotivierter Segler eine Regatta über den Wannsee gewinnen – von der Teilnahme am Admiral’s Cup würde man ihm jedoch abraten.
Die Kulturmanagerin an der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ Berlin im Studiengang Puppenspiel (mit Schwerpunkt auf Projektmanagement und Marketing), Ina Ross, hat im Laufe der eigenen Karriere offenbar ausreichend Erfahrung mit der Unbeholfenheit mancher Künstler in Fragen der Selbstvermarktung gesammelt. Dies ist soweit nicht neu und auch keine auf Künstler beschränkte Problematik. Richtig ist, dass für den Künstler die Wahrnehmung in der – notwendigerweise immer eingeschränkten – Öffentlichkeit existenziell notwendig ist, wenn er von seiner Tätigkeit leben will. Diese Erkenntnis hat sich auch in Künstlerkreisen schon seit Längerem durchgesetzt, liefert aber dummerweise nicht gleichzeitig die Antwort auf die Frage nach dem Wie.
Hier versucht Ross nun mit ihrer „Werkzeugkiste“ Abhilfe zu schaffen. Und da es in diesem Zusammenhang nicht darum gehen kann, all das Wissen, das Marketing-Profis in Studium und Praxis in langen Jahren
erwerben, zu vermitteln, konzentriert sich die Autorin auf Kernbereiche: Positionierung, Pressearbeit, Finanzierung und Projektmanagement.
Auf bestimmt Aspekte wird bemerkenswert detailliert, auf andere ärgerlich oberflächlich eingegangen. Angereichert werden die einzelnen Kapitel durch Kurzinterviews mit Repräsentanten der jeweiligen Kommunikationsgruppen, also mit Journalisten, Sponsoren etc. Sie machen das Buch letztendlich lesenswert, denn sie gewähren zumindest kurze Blicke hinter die Kulissen, die manchem undurchdringbar erscheinen. Ebenso wertvoll sind die Linksammlungen zum Thema Kulturförderung oder die punktuell angeführten Hinweise auf rechtliche Rahmenbedingungen. Über den Rest lässt sich trefflich streiten: beispielsweise über die Penetranz, mit der der Leser geduzt wird, die offensichtliche Konzentration auf selbst erfahrene Erkenntnisse ohne Allgemeingültigkeit oder die grobe Vereinfachung komplexer Vorgänge wie effizientes Zeit- und Projektmanagement.
Unterm Strich ist das Buch für Künstler dennoch sinnvoll zu lesen, weil es zumindest einen kleinen Einblick in eine hochkomplexe und auch für Profis nicht immer berechenbare Thematik vermittelt. Ob die daraus gezogenen Erkenntnisse zur wirkungsvollen Selbstvermarktung genügen, mag dahingestellt bleiben.
Andrea Kerner