Hans-Jürgen Otte (Hg.)

Wie klingt das denn

Geschichten von Menschen, die sich ein Leben ohne Musik nicht vorstellen können, mit einem Vorwort von Sabine Meyer

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Verlag Hans-Jürgen Otte, Hamburg
erschienen in: das Orchester 6/2024 , Seite 65

Viel wurde und wird über professionelle Musiker:innen geschrieben. Aber was ist mit jenen, die Musik lieben, ihrem Instrument einen festen Platz in ihrem Leben einräumen, aber dennoch ganz andere Berufswege eingeschlagen haben? Diese Menschen lässt der Journalist Hans-Jürgen Otte – selbst begeisterter Amateurviolinist – in seinem Buch zu Wort kommen. „Musizieren kann erden, wenn der Alltag an einem zerrt“, schreibt die Klarinettistin Sabine Meyer im Vorwort, und eben davon berichten die acht Hobbymusiker:innen in Ottes Büchlein.
So erzählt eine Ärztin, wie sie auf der Suche nach Gemeinsamkeiten mit ihrer damaligen Liebe auf den Kontrabass stieß und im Musikschulorchester plötzlich mit dem Verdi-Requiem konfrontiert wurde. Ein Journalist erinnert sich an seine Begegnung mit der Posaune, die „jämmerlichen Ergebnisse“ seiner ersten Tonproduktion und seine jugendliche Überzeugung, „dass der wirklich Berufene keiner didaktischen Stützen bedürfe“. Eine Politikerin findet trotz eines dichtgedrängten Terminplans immer noch Zeit für ihre Violine, ein Ton- und Bildingenieur beginnt ganz klassisch mit dem Fagott, bevor er den Sound der E-Gitarre entdeckt und in die „Metal-Welt“ eintaucht, ein Englischlehrer kommt wegen seiner geringen Körpergröße zum Schlagzeug: „Gerade weil ich so klein war, hatte ich immer Bock drauf, mir durch viel Krach Gehör zu verschaffen.“ Und ein Radioredakteur hörte als kleines Kind immer wieder, was für eine schöne Stimme er doch habe, und sieht diese Aussage als wegweisend für sein ganzes Leben – als Sprecherzieher, am Mik-rofon oder beim Gesang: „In irgendeinem Chor gesungen habe ich immer.“
Aus diesen Geschichten und Anekdoten ergibt sich ein reizvoller Streifzug durch die Welt der musikalischen Amateure, die oft Mühe haben, die Musik in ihren Alltag zu integrieren, vielfach lange Durststrecken überwinden müssen und dennoch mit Begeisterung und Einsatz bei der Sache sind. Laienmusiker:innen werden manchmal in ihren musikalischen Ambitionen nicht ganz ernst genommen und sind doch eine Bereicherung für die Musikwelt, ob sie nun in kleinen Orchestern spielen, mit lokalen Bands auftreten oder sich bei Hausmusikabenden mit Gleichgesinnten zusammentun. Und vielleicht macht Ottes Bändchen dem einen oder anderen Lust darauf, ein altes Instrument wieder hervorzuholen – oder sich als Hörer mit Musik zu befassen. So wie Roland, Hans-Jürgen Ottes Partner, ein „Musiker ohne Musikinstrument“, der fast täglich Musik hört, und zwar nicht nur nebenbei: „Hat er eine Platte aufgelegt, will er nicht gestört werden. […] Es gibt für ihn in solchen Momenten eben kaum etwas Wichtigeres als die Musik.“
Irene Binal