Who is afraid of 20th century music?
Werke von John Adams, Thomas Adès, George Antheil, Samuel Barber, Leonard Bernstein, Benjamin Britten, Aaron Copland, Michael Daugherty, Manuel de Falla u. a.
Endlich, am letzten Abend des 20. Jahrhunderts, hatte dann doch noch das Wiener Neujahrskonzert mit seinen heiteren, sich unschuldig gebenden Walzern und Märschen ein wirkliches Pendant bekommen das Hamburger Silvesterkonzert. Denn Ingo Metzmacher (1997 bis 2005 GMD des Staatsorchesters) war es nicht nur überdrüssig, zum Jahreswechsel einmal mehr Beethovens Neunte auf das Programm zu setzen; ihn hatte es immer schon gejuckt, dem Neujahrskonzert in Wien etwas gegenüberzustellen, das ein bisschen mehr mit heute zu tun hat. Weite Teile des Publikums müssen ähnlich gefühlt haben, denn was 1999 als Experiment begann, wurde rasch zur einer beliebten Tradition (die hoffentlich auch anhalten wird).
Unter dem Motto Who is afraid of 20th century music? standen jeweils genau 15 kleinformatige Werke auf dem Programm, die man zwar nicht durchweg als zeitgenössisch apostrophieren mag, die aber wenigstens einen kurzweiligen Einblick in die musikalische Vielfalt des wahrlich langen 20. Jahrhunderts geben. Natürlich blieb die wirklich harte Kost außen vor. Schließlich stand hinter dem Konzept die Absicht, auch einmal die im besten Sinne des Wortes unterhaltende Seite aufzuzeigen. Dass dabei ganze Stränge der Musikgeschichte, die unter solcher Perspektive eher angestrengt und lustlos erscheinen müssen, ausgeblendet wurden, ist nur verständlich. Andererseits findet man in den Programmen eine ganze Reihe von selten zu hörenden Stücken, mitunter auch Kompliziertes wie Bernd Alois Zimmermanns Stille und Umkehr.
Was aber vor allem an den nun in einer CD-Box zusammengefassten fünf Silvester-Jahrgängen auffällt, das ist die Betonung des rhythmischen Parameters. Dahinter verbirgt sich aber nicht nur eine Konzession an den Publikumsgeschmack, sondern auch eine musikgeschichtliche Wahrheit. Ob freilich die hier versammelten 75 Stücke (vor denen man wahrlich keine Angst haben muss) tatsächlich einen repräsentativen Querschnitt bieten (wenn sie es denn überhaupt sollten), ist fraglich dafür fehlen mir zu viele Werke, Namen und Nationen. Doch warum auch mit so hohem Anspruch messen: Beim Neujahrskonzert aus der Donau-Metropole fragt man ja auch nicht nach den Werken; die Silvesterabende in der Elbestadt haben dagegen ein abwechslungsreiches Programm. Wie kurzweilig die Konzerte waren, das belegt die Bonus-CD mit einigen Kostproben von Metzmachers Werkeinführungen. Das Philharmonische Staatsorchester Hamburg spielt übrigens hochmotiviert und mit hörbarer Lust die Exkurse in musikalisches Neuland.
Michael Kube